Wo geht's hier nach Arabien
mehr so.
Die Menschen in Arabien sehnen sich nach Stabilität, Sicherheit und einer menschenwürdigen Tätigkeit, die es ihnen erlaubt, täglich satt zu werden und die Kinder zur Schule statt auf die StraÃe zu schicken. Damit unterscheiden sich die Leute dort nicht wesentlich von den Römern, Parisern und Berlinern.
Doch für viele Europäer ist es schwer zu glauben, dass der Araber uns ähnlich ist. Was wird dann aus dem angekündigten » Kampf der Kulturen«? Fällt der dann aus? Wird er verschoben? SchlieÃlich glauben » die da« an Allah und wir an gar nichts. SchlieÃlich beten die fünfmal am Tag und wir nur, wenn Unheil droht. Und dann das Bier! Wer ohne Alkohol leben kann, macht sich verdächtig und ist im Ernstfall sicher eine SpaÃbremse. Nicht umsonst wies der bayerische Brauerverband sorgenvoll darauf hin, dass am dramatischen Rückgang des Bierkonsums nur einer schuld sein kann: der moslemische Einwanderer.
Dabei zählen die Deutschen nicht einmal zu den Orientexperten. Die Kolonialmächte England und Frankreich waren viel eher dort. Nicht nur auf Besuch, sondern richtig lange. Die Landkarte Arabiens mit ihren willkürlich durch die Wüste gezogenen Grenzen haben diese beiden Länder ausgetüftelt. Dafür ist man ihnen in Teilen der arabischen Welt noch heute böseâ ohne allerdings die Sache rückgängig machen zu wollen.
Das Selbstbewusstsein Arabiens scheint kollektiv angeknackst zu sein. Jeder weiÃ, dass es ohne die Ãbermittlung durch die arabischen Universitäten bei uns keine Algebra, Philosophie, Medizin und Astronomie gäbe. Doch das war im Mittelalter und ist lange her . An der Entwicklung von Mondrakete, Glühbirne, Panzer, Kugelschreiber, Lockenstab und Espressomaschine waren keine Araber mehr beteiligt. Sie sind nur noch Lieferanten für das Ãl. Manche fühlen dies als tausendjährigen Abstieg von der Oberhoheit über die Naturwissenschaften zum Dienstboteneingang der modernen Welt. Da besteht natürlich die Gefahr, dass aus der Sehnsucht nach der groÃen Zeit Arabiens ein Rückfall in die Zeit des Mittelalters wird. Die Emotionen hierzu hochzuschaukeln, fällt den Verführern leicht, da die arabischen Gesellschaften zur Mehrheit aus Jugendlichen bestehen. Es ist keine Seltenheit, dass 15-Jährige ganze Familien zu versorgen haben, was in den vergangenen Jahren von Casablanca bis Bagdad immer schwieriger geworden ist. Es ist ein groÃes Wunder, dass es den irren Hetzern trotz aller Bemühungen nicht gelingt, mehr als einen sehr kleinen Bruchteil der jungen Leute zu Fanatikern oder gar zu Mördern zu machen.
Die Suche nach der normalen Alltagswelt Arabiens beschert unvergessliche Erlebnisse. Da ist die achtstündige Zugfahrt mit einem jungen Marokkaner nach Tanger, der als Opernsänger nach Deutschland engagiert war. Er übte wunderschöne Arien und hatte keine Ahnung davon, was sie bedeuten. Oder der Landeanflug auf Beirut neben einer Frau, die nach 18 Jahren Exil zum ersten Mal ihren Vater wieder besuchte, um ihm zu helfen, sein Haus zu verkaufen. Stundenlang regte sie sich nicht, doch beim Anblick der beleuchteten Heimatstadt um zwei Uhr nachts brach sie in hemmungsloses Schluchzen aus und krallte sich dabei in meinen Arm ein, den sie bis zum Stopp auf dem Rollfeld nicht mehr loslieÃ. Wir saÃen dann eineinhalb Stunde neben dem Gepäckförderband, wobei sie mir ihre Lebensgeschichte erzählte.Am Ende wollte ich das Haus an den Berghängen über Beirut kaufen. Und dann waren noch der Mann aus Damaskus, der Adolf Eichmann kannte, und die Frau, die auf den Golanhöhen lebt, und der dicke Scheich, der in Russland Falken kauft, sie in der syrischen Wüste erzieht und sie anschlieÃend in die Emirate verkauft, und der Bub aus dem Südlibanon, der seit dem Bürgerkrieg eine Kugel im Kopf hat, und die Malerin, die fast nackte Araberfrauen malt. Menschengeschichten eben.
Meistens bleibt dafür keine Zeit. Unser Wissen kommt aus dem Fernsehen . Ausreichend Bier und ein Fernsehsessel genügen zur Erkundung der arabischen Welt. Hinfahren ist schlieÃlich gefährlich. Man bedenke das Klima, die Hygiene, den Terror, den unvermeidlichen Durchfall.
Und doch ziehen wir los. Deutsche in Arabien. Tausend Menschen hatten in tausend Jahren tausend verschiedene Gründe hinzufahren. Einige stelle ich hier vor. Und um die Political Correctness von vornherein
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