Wo geht's hier nach Arabien
Wasserkopf an Ideologie und unverständlichem Bürokratengewäsch, wovon ein deutsches Kreisverwaltungsreferat nur träumen kann.
Hätten die deutschen Terroristen etwas Arabisch gesprochen, wäre der deutschen Geschichte womöglich viel erspart geblieben. » Das sind einfach Schweine, aber nützliche Schweine.« So charakterisiert ein arabischer SchieÃlehrer seine deutschen Schützlinge.Andreas Baader versteht kein Wort. Wenige Wochen zuvor sitzt er noch, verurteilt wegen Brandstiftung, in einem deutschen Gefängnis. Bei der Flucht wird geschossen, zurückbleibt ein schwer verletzter Mann. Jetzt geht es nicht mehr um Brandstiftung, sondern um versuchten Mord. Man taucht unter, besorgt sich falsche Pässe, wechselt in lächerlicher Verkleidung von West- nach Ostberlin, und die Reisegruppe von über 20 deutschen Terroristen fliegt nach Jordanien. Horst Mahler ist dabei, Baader, Meinhof, Ensslin, so ziemlich alle, deren Köpfe man kurz danach auf den Fahndungsplakaten studieren kann.
Aber aus der RAF-Reise wird kein Besuch bei jordanischen Freunden. Bereits bei der Ankunft ist der bunt gemischte Terrorhaufen aus Westdeutschland heillos zerstritten. Es geht zu wie beim Schulausflug: Wer ist der Chef? Wer geht mit wem? Wann gibtâs Essen? Der Umgangston wird rauer. Es gibt Grüppchenbildung. So gerne man sich in endlosen Diskussionen totredet, RAF-Kollege Peter Homann soll diskussionslos gleich erschossen werden. Er ist vielleicht ein Spion aus Israel, aber eben nur vielleicht, eher sogar nicht. Das ErschieÃen wird erst mal aufgeschoben.
All das, was man mit ideologischem Eifer in Deutschland ablehnt, flammenden Militarismus, dumpfe Befehlsstrukturen, Wiederbewaffnung, will Andreas Baader in Jordanien lernen. Aber die Palästinenser sind genervt von den » deutschen Idioten«. Die deutschen Terroristen unterscheiden sich kein bisschen von den deutschen Touristen späterer Jahre, die in Adiletten, weiÃen Socken und abgegriffenen Bermudashorts an der Hotelrezeption penetrant nach dem Geschäftsführer verlangen. Die Baader-Meinhof-Mädels bemäkeln das Essen aus der Konservendose, eine verlangt nach einem Coca-Cola-Automaten. Doch nach getaner SchieÃübung räkeln sie sich nackt auf dem Dach der Unterkunft. Das wiederum verwirrt die palästinensischen Jungs, die nebenan im Wüstenstaub den echten Kampf üben sollen.Abgesehen davon, dass die armen Buben noch nie eine nackte Frau gesehen haben, ist ein palästinensischer Truppenübungsplatz schlieÃlich kein FKK-Gelände. Man sagt, die Tiefflüge der israelischen Kampfbomber in jenen Tagen über das Trainingsgelände dienten nicht der Abschreckung, sondern der Aufklärung, im wahrsten Sinn des Wortes.
Bald gibt es Ãrger im Kommandostab. Als die Deutschen anfangen, sinnlos in der Gegend herumzuballern, wird ihnen die Munition gekürzt. Nur schauen, nicht schieÃen, heiÃt es. Jetzt sind sie ganz beleidigt. Andreas Baader verweigert beim Kampftraining sogar die Tarnuniform und robbt sich in seiner Satinhose über den steinigen Boden. Deutschlands gefährlichste Verbrecher sind ein unerträglicher Zickenhaufen.Aber letztendlich doch lernwillig. SchlieÃlich soll der bewaffnete Kampf nach Deutschland getragen werden. Um ein Haar ohne Ulrike Meinhof. Beim ersten Ãben mit der Handgranate zündet sie das Ding, aber schmeiÃt es nicht weit von sich, sondern fragt nach geraumer Weile: » Und jetzt?«
Andreas Baader und Gudrun Ensslin sind die Chefs der Gruppe. Baader ist erst 27 Jahre, cholerisch, gewalttätig und arrogant. Er hat Autos und Motorräder gestohlen und verschoben, sich auch mal falsche Wimpern angeklebt und geschminkt, um anderntags für eine Schwulenzeitschrift zu posieren. Rein politische Aktionen sind ihm eher fad. Während Gleichaltrige gegen den Schah, die Nazis, soziale Ungerechtigkeit und Atomwaffen demonstrieren, erfindet er im schrillen Sakko abstruse sexuelle Abenteuer, um seine Zuhörer zu schockieren.
Die Stimmung im Lager ist extrem angespannt. In Jordanien naht unweigerlich ein Krieg. Deshalb wird das Ausbildungslager straff militärisch geführt. Die palästinensischen Anführer haben Erfahrung aus vielen Gefechten, unter anderem aus dem Algerienkrieg, doch der deutsche Zivilist Andreas Baader möchte mit ihnen unbedingt gleichgestellt werden. SchlieÃlich ist er ja auch ein Guerillaführer und Anführer
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