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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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    Ich träumte von Scheinwerfern, grell und schneidend, die sich wie Lichtschlangen durch einen dicken Nebel bohrten, der alles in einen undurchdringlichen weißen Schleier hüllte. Aber ich konnte die Straße vor mir erkennen. Sie raste viel zu schnell auf mich zu. Ich wollte schreien, wollte hart auf die Bremse treten, konnte aber nicht. Gab es überhaupt eine Bremse? Und wenn ja, wo war sie zu finden? Ich wusste es nicht. Ich wollte nur weg, weg von dieser Straße, die so Schwindel erregend schnell auf mich zukam, aber ich war hilflos. Ich war gefangen.
    Ich konnte kaum atmen, solche Angst hatte ich. Plötzlich hörte ich neben mir einen eigenartigen, schrillen Laut. Er kam von einer Frau, die stöhnte, als wäre ihr nichts mehr vom Leben geblieben, als wäre alles aus für sie, und sie wusste und akzeptierte das.
    Ich wollte, dass wir anhielten, aber die Straße raste weiter von den Scheinwerfern beleuchtet auf uns zu, schneller und schneller. Ich versuchte ihr zu sagen, dass ich hier war, dass ich bei ihr war, dass ich helfen würde, wenn ich konnte. Aber sie hörte mich nicht.
    Jetzt hörte ich sie reden, ganz leise. Sie betete. In diesem Moment, in dem sie um Gottes Vergebung bat, war ich fast ein Teil von ihr.
    Die Straße verschwand. Ich wurde gewaltsam nach vorne gerissen, doch dann schien alles zu verblassen. Wir flogen durch den Nebel, flogen hoch durch die Luft und schossen dann aufs Wasser zu.
    Schmerzen explodierten in meinem Körper, ein enormer Druck legte sich auf meine Brust, der nicht wirklich wehtat, sondern einfach da war. Dann war auch das weg. Ich empfand nur noch Ruhe, eine tiefe, unheimliche Ruhe, die etwas Endgültiges hatte. So einfach ist das also, dachte ich, so furchtbar einfach. Ich lächelte. So einfach. Ich lächelte noch, als auf einmal alles um mich herum schwarz wurde. Dann fühlte ich gar nichts mehr.
    Wir standen zu viert an der Klippe und starrten aufs Meer hinunter. Wir mussten nicht lange warten. Ein Mann im Taucheranzug durchbrach die Wasseroberfläche und schrie uns zu: »Sie ist da unten!«
    Ich hatte gewusst, dass Jilly dort unten sein würde.
    Neben ihm tauchte ein weiterer Mann auf. Er rief: »Da unten liegen zwei Autos, gleich nebeneinander. Ein weißer Porsche, und der andere, in dem sie drin ist, sieht aus wie ein Mietwagen.«



Epilog
    Washington, D.C.
    Drei Monate später
    Krächz.
    »Jetzt mach dir mal nicht in die Federn, Nolan.« Ich schüttete mir ein Häufchen Sonnenblumenkerne in die Hand und langte in den Käfig.
    Krächz.
    »Hier, bitteschön.«
    Grubster rieb sich an meinen nackten Beinen. »Ist ja gut, Fettie, du bist als Nächster dran.«
    Wenn man Grubster so ansah, konnte man meinen, dass er alles fraß, was lange genug stillhielt, aber das stimmte nicht. Er hatte sich zu einem ausgesprochenen Gourmet entwickelt, fraß nur noch das feinste Katzenfutter. Das hatte angefangen, nachdem wir in dieses schöne alte Haus in Georgetown eingezogen waren.
    »Er hält sich jetzt für was Besseres«, hatte Laura vermutet. »Ist ein Ausdruck seines neu erwachten Selbstwertgefühls. «
    Ich steckte eine Scheibe Toastbrot in den Toaster und holte den Dosenöffner aus der Schublade. Dann schüttete ich eine ganze Dose Lachs mit Reis in Grubsters großen weißen Futternapf mit dem grinsenden Katzengesicht auf dem Napfboden. Ich streichelte ihn und kraulte ihn hinter den Ohren, während er hingebungsvoll schnurrend reinhaute.
    Krächz.
    Ich wedelte mit der heißen Toastscheibe, bis sie einigermaßen abgekühlt war, dann brach ich kleine Stücke für Nolan ab.
    »Sind jetzt alle zufrieden?«
    Gesegnete Stille.
    Es war Samstagfrüh und bereits warm. Bis Mittag würde es wahrscheinlich ziemlich heiß sein. Laura schlief noch. Ich wollte gerade wieder ins Bett gehen und sie wach küssen, als es klingelte.
    »Einen Moment!«, rief ich, rannte ins Schlafzimmer und streifte mir hastig eine Jeans über.
    »Einschreiben für Mr. MacDougal. Sind Sie das?«
    Ich nickte. »Von wem ist es?«
    »Hier steht nur, dass es aus Oregon kommt, Sir.«
    Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber das hier gewiss nicht. Es war eine kurze Mitteilung von einem Anwalt aus Salem, Oregon. Er schrieb lediglich, meine Schwester hätte gewünscht, dass der Brief genau drei Monate nach Bestätigung ihres Todes an mich geschickt werden sollte.
    Meine Hände zitterten, als ich den Brief öffnete.
    Mein allesgeliebter Ford,
    ich frage mich, ob du heute Nacht auch bei mir sein wirst. Wenn ja,

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