Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
PROLOG
Bei mir war es so : Ich drehe mich mitten im Winter in einer verdreckten Kellerbar in Ohio von ’nem überlaufenden Klo weg; draußen grölt gerade eine Horde Affen in Lederjacken im Chor, während ein weiterer Affe in Stretchhosen auf die Imitation einer Les Paul Gitarre eindrischt, die über ’nen schrottreifen Marshall-Amp läuft. Das Licht, der Lärm, das Mädchen an der Bar, durch deren verschwitztes T-Shirt ich beinahe hindurchschauen kann… Urplötzlich trifft mich der Schlag angesichts der Sinnlosigkeit, der Absurdität, der schier überwältigenden Verrücktheit von all dem.
Was ist das für ein Ort? Dieses Dasein – allein schon die Tatsache meines Seins – was ist das? Wer bin ich? Was ist dieses Ding, dieser Körper, dessen Ohren vom Lärm dröhnen, dessen Augen vom Rauch tränen und dessen Magen sich umdreht von der Pissbrühe, die hier als Bier verkauft wird?
JENE NACHT SETZTE ZWAR ALLEM DIE KRONE AUF, aber dies waren schon immer die Fragen gewesen, die am Kern meines Seins nagten, seit ich alt genug war, um zu denken. Nicht Fragen wie „Was ist der Zweck des Daseins? Was ist der Sinn des Lebens? Woher kommen wir?“ – denn das war mir immer zu indirekt.
Bedeutung oder Sinn
– sowas ist zu weit entfernt vom wirklichen Dasein. Und
Zweck
beschäftigt sich mit Zielen, Orientierung und Sachen, die in der Zukunft passieren werden. Wo auch immer wir hergekommen sein mögen, die Vergangenheit ist längst aus und vorbei.
Für mich trifft das nicht den Kern. Es packt die Dinge nicht an der Wurzel. Ich will wissen, was
das hier
ist – dieser Ort genau hier, dieser Geisteszustand genau jetzt.
Was ist das?
Oder anders gesagt: Was für sich betrachtet ist die Wahrheit? Was ist das für eine Sache, die sich Wirklichkeit nennt?
JETZT, NACH JAHREN GRÜNDLICHEN HINTERFRAGENS, habe ich das Gefühl, etwas zu sagen zu haben – und mehr als das, ich empfinde es beinahe als meine Pflicht, es zu sagen.
Warum solltest du mir zuhören? Wer zur Hölle bin ich? Wer ist dieser Kerl, der behauptet, dass er dir hier den Abriss zur „Wahrheit über die Wirklichkeit“ hinlegen wird, als ob er ’ne Autorität auf dem Gebiet sei? Niemand. Absolut niemand.
Tatsache ist, dass ich dir, obwohl ich dir sagen kann, wer ich bin und was ich getan habe, keine echten Gründe dafür geben kann, warum du mir zuhören solltest. Dafür gibt’s keine Gründe. Hier geht’s nicht um Gründe.
Fürs Protokoll erwähne ich mal, dass ich ein ordinierter buddhistischer Priester bin, der
Shiho
, die „Dharma-Übertragung“, innerhalb einer weit zurückreichenden Linie buddhistischer Lehrer empfangen hat. Dabei soll’s sich um die symbolische Bestätigung handeln, dass ich den gleichen Grad von Erleuchtung „erlangt“ habe wie der Buddha vor etwa 2.500 Jahren. Aber wenn ich du wäre, würde ich dieser Sache nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Typen, die die Dharma-Übertragung empfangen haben, gibt’s heutzutage in Japan wie Sand am Meer, und in Amerika und Europa gibt’s davon mittlerweile auch jede Menge.
Ganz großes Ding also.
Bevor ich ein buddhistischer Priester wurde, war ich Teil der frühen Hardcore-Punk und Independent-Musikszene. Ich spielte Bass bei Zero Defex, einer Hardcore-Punk-Band aus Ohio, deren einzig nennenswerte veröffentlichte Aufnahme der Song „Drop the A-Bomb on Me“ war, der auf einem Sampler namens
P.E.A.C.E./War
veröffentlicht wurde. * Dieses Doppelalbum, auf dem die Dead Kennedys, die Butthole Surfers, MDC, und eine ganze Schar anderer Hardcore-Legenden versammelt sind, ist im Laufe der letzten zwanzig Jahre etliche Male wieder neu aufgelegt worden, und aus diesem Grund ist unsere kleine Band heute wesentlich bekannter, als sie’s zu der Zeit war, als wir noch spielten. 1
Außerdem habe ich einen Vertrag mit dem New Yorker Label
Midnight Records
abgeschlossen und dort fünf Alben Syd Barrett-inspirierter Neo-Psychedelia unter dem Bandnamen Dimentia13 veröffentlicht (wobei auf drei dieser Alben die „Band“ tatsächlich nur aus mir bestand). Diese Alben haben sich gut genug verkauft und genügend Leute beeinflusst, um mir ewige Anerkennung in der Geschichte des Alternative Rocks in Gestalt meiner eigenen kleinen Fußnote zu sichern – na ja, falls du die richtigen Bücher besitzt.
Was meinen heutigen Broterwerb anbelangt, so stehe ich in der hochgeschätzten Linie derer, die an japanischen B-Monsterfilmen arbeiten. Du weißt schon: Zwei arbeitslose Sumo-Ringer zwängen sich in
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