Wo nur die Liebe Zählt: Die Creeds (German Edition)
seiner Liste kümmern – ein Dutzend fünfzig-Pfund-Säcke mit der Spezialmischung aus Hafer und Alfalfa kaufen, mit der er seine Pferde fütterte. Vor der Rückfahrt wollte er dann noch bei Doc Benchley vorbeifahren, und das Impfserum für die im Frühling geborenen Kälber abholen. Doc war der einzige Tierarzt in der Stadt.
Anders als viele seine Kollegen hatte Hugh Benchley sich nicht spezialisiert. Er behandelte jedes Tier, preisgekrönte Hereford-Bullen genauso wie Yorkshire Terrier, die klein genug waren, um in eine Teetasse zu passen. Und er schien in absehbarer Zukunft nicht vorzuhaben, sich zur Ruhe zu setzen, obwohl er längst in einem Alter war, in dem andere ihre Zeit lieber beim Fischen oder in dem schicken neuen Casino am Stadtrand verbrachten.
„Wenn ich meine Praxis schließe, werde ich keine sechs Monate mehr leben“, hatte er mehr als einmal zu Conner gesagt.
Conner verstand ihn, da er selbst bei der Arbeit aufblühte – je körperlich anstrengender, desto besser. Auf diese Weise musste er nicht über Dinge nachdenken, die ganz und gar nicht nach seinen Wünschen verlaufen waren – wie beispielsweise seine Beziehung, falls man das überhaupt so nennen konnte, zu seinem Zwillingsbruder Brody.
Er klopfte sich den Staub von den Lederhandschuhen und marschierte auf seinen Truck zu. Irgendein Instinkt ließ ihn zum Fenster im zweiten Stock aufschauen, und ein ungewohnt prickelndes Gefühl machte sich in ihm breit, als er glaubte, Tricia McCall dort zu sehen.
Das hättest du wohl gern, dachte er und kletterte in sein Fahrzeug.
Er hatte Tricia schon oft gesehen, meistens aus einiger Entfernung, aber ein oder zwei Mal auch aus nächster Nähe.
Warum hatte er nie bemerkt, wie hübsch Nattys Urenkelin mit ihrem frischen Teint und den dunklen, ernsten Augen war? Sie hatte einen schönen schlanken Körper – das war ihm sofort aufgefallen, daran hatte auch dieser lächerliche Bademantel nichts ändern können. Allein mit ihr im selben Zimmer zu sein, hatte ihn an die Zeit erinnert, als er und Brody Kinder gewesen waren. Neun oder zehn Jahre alt und vollkommen furchtlos hatten sie sich damals gegenseitig angestachelt, den elektrischen Zaun, der die Weide von der Landstraße trennte, anzufassen.
Es hatte kurz zuvor noch geregnet, und sie standen beide in nassem Gras. Der Schlag hatte sie auf den Rücken geworfen, und nachdem sie wieder zu Atem gekommen waren, hatten sie sich vor Lachen die Bäuche gehalten.
Da jede Erinnerung an Brody schmerzvoll war, auch eine gute, vermied Conner es normalerweise, an seinen Bruder zu denken. Er legte den Gang ein und fuhr von Miss Nattys Auffahrt, während seine Gedanken wieder zu Tricia wanderten.
Als Kind hatte Tricia oft die Sommerferien bei ihrem Dad in Lonesome Bend verbracht. Sie war schüchtern gewesen und hatte immer an Joes Rockzipfel geklebt, während er sich fröhlich um seine Angelegenheiten kümmerte. Schon damals war das heruntergekommene Autokino ein Verlustgeschäft gewesen, genauso wie der Campingplatz.
Wie all seine Freunde war Conner, wann immer es ging, bei River’s Bend schwimmen gegangen, allerdings konnte er sich nicht entsinnen, dass Tricia auch nur ein einziges Mal zumindest einen Zeh ins Wasser getaucht hatte. Sie saß ernst und im Schneidersitz auf dem Kai, immer in einem alten Badeanzug, ein Handtuch unter den Arm geklemmt, und beobachtete die anderen dabei, wie sie sich vollspritzten und herumtollten.
Damals hatten sie alle Tricia McCall für ein wenig seltsam gehalten– wahrscheinlich, weil ihre Eltern geschieden waren und in unterschiedlichen Staaten lebten, was damals etwas sehr Ungewöhnliches gewesen war, zumindest in Lonesome Bend.
Da sein älterer Cousin Steven jedoch auch immer zwischen der Ranch und seinem Zuhause in Boston hin- und herpendelte, hatte Conner früher weder Tricia noch die Situation besonders merkwürdig gefunden. Sie war eben einfach still und blieb lieber für sich. Ein bisschen neugierig hatte sie ihn gemacht, mehr aber auch nicht. Schließlich hatte sie die Stadt immer Ende August wieder verlassen, genau wie Steven, um irgendwann im nächsten Juni wiederzukommen.
Conner bog auf den Parkplatz des Futtergeschäfts und fuhr rückwärts an eine der Laderampen. Er stellte den Motor ab, stieg aus und sprang auf die Rampe, um beim Verladen der Säcke zu helfen, die bereits auf ihn warteten.
Und noch immer kreisten seine Gedanken um Tricia.
Auch als Teenager hatte Tricia ihren Dad jeden Sommer besucht und
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