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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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untergebracht hatte! Er würde sie in den nächsten Bus nach Belém setzen, dann würde man weitersehen. Wieder in Fortaleza, wollte er sofort den Gouverneur anrufen, wäre doch gelacht, wenn der die Sache nicht unter den Teppich kehren konnte. Vielleicht konnte er sogar verhindern, dass die Zeitungen den furchtbaren Artikel brachten, von dem in dem Brief die Rede war …
    Als Wagner zwei Stunden darauf bei der kleinen Hütte in Pitombera eintraf, die er hinter dem Rücken seiner Frau für seine amourösen Abenteuer benutzte, war er so gut wie sicher, ungeschoren aus der Sache herauszukommen. Er schob die Tür auf und fand Paulo und Manuel am Tisch vor einer Flasche sitzend.
    »Packt eure Sachen zusammen«, sagte er sofort, »wir hauen ab …«
    Erst als dieser Satz heraus war, den er sich auf den letzten Kilometern seiner Fahrt zurechtgelegt hatte, bemerkte er an ihren ausweichenden Blicken, dass etwa nicht stimmte. Und in dem Moment stürmten bewaffnete Polizisten herein.
     
    Von allem, das in der Folge geschah, hatte Loredana nur eines nicht vorhergesehen, nämlich den Auftritt mit der amerikanischen Familie aus dem Hotel Caravela … Als sie aus São Luís zurückkam, das Ticket der Fluggesellschaft in der Tasche, nahm sie zusammen mit Eléazard und Soledade an der Beerdigung der Familie Carneiro teil. Es war ein regentrüber Morgen, was den Anlass nur noch trauriger erscheinen ließ. Hunderte hatten sich der vom Pfarrer von Alcântara organisierten Prozession angeschlossen. Während sie vorübermarschierten, öffneten die Anwohner Türen und Fenster, um den Seelen der Verstorbenen freien Einlass zu gewähren.
    »Gib ihnen die ewige Ruhe!«, rief immer wieder ein Angehöriger oder Freund. »Das ewige Licht, oh Herr! Hilf ihnen im Tode!«
    Und man ließ alles stehen und liegen, um sich dem Trauerzug anzuschließen.
    »Komm, Bruder der Seelen!«, begrüßte die Menge den Hinzugekommenen.
    Keiner weinte, die Flügel des kleinen Engels sollten nicht feucht werden, das hätte seinen Aufstieg ins Paradies erschwert. Nicanor! Gilda! Egon! Die Toten wurden beim Vornamen gerufen, damit sie sich leichter fühlten in ihren Särgen aus rohem Holz. Geleit für den Verstorbenen auf seinem Weg ins Jenseits, Gedenken der Todesstunde, Gedenken des Momentes, da der Hahn zum letzten Mal kräht, Moment, da der reglose Leib und all seine Gliedmaßen besungen werden: Klagen und Litaneien hallten zwischen den Fassaden der verfallenen Häuser. Ein langes, ockerfarbenes Seufzen, ein Rost, der den Stahl des Himmels angriff. Die Männer betranken sich, eine Trommel beschwor den Regen.
    Eléazard hatte ja Alfredo in Verdacht, insgeheim das Geschehen bei der Rückkehr vom Friedhof angezettelt zu haben. Gerüchte zirkulierten, die Erregung wuchs – wie ein Schwarm Fische, der in jeder seiner Bewegungen einem geheimnisvollen Magnetismus folgt, begab die ganze Menge sich auf den Platz vorm Hotel Caravela. »Yankees raus! Tod der CIA !« In fast mystischer Wut verzogen sich die Gesichter und wurden die Fäuste gereckt. Alle dachten, die drei Amerikaner hätten sich in ihrem Zimmer verbarrikadiert, doch da entdeckte Alfredo sie, wie sie sich, wohl aus einer Kneipe kommend, der Ansammlung näherten, ahnungslos, dass sie selbst der Grund für den Auflauf waren. Ein Stein flog, gefolgt von Dutzenden anderer Geschosse. Der Mann griff sich ins Gesicht, betrachtete entsetzt das Blut an seinen Fingern. Es gelang dem Pfarrer kaum, die Menge zu bändigen, die den Opfern ihres Zorns näher und näher kam. Instinktiv wichen die Amerikaner zurück, rannten dann panikartig Richtung Schiffsanleger. Die
Dragão do Mar
legte gerade ab, man ließ sie an Bord gehen, ohne sie weiter zu verfolgen. Ein paar der Verfolger hatten die Koffer der drei aus dem Hotel geholt und schleuderten sie dem Schiff hinterher; sie waren ungenügend verschlossen und explodierten lange vor dem Ziel während des Fluges. Kleider und weibliche Dessous, bei deren Anblick die Gören, die sich am Ufer drängelten, lauthals aufgrölten, bedeckten das Wasser.
    Nachdenklich-resigniert blickte Loredana dem alten Kahn hinterher und meinte:
    »Es hat wohl so enden müssen …«
    »Trotzdem ist es gut so«, sagte Eléazard, der nicht verstand, worauf sie sich bezog. »Immerhin, sie sind noch mal davongekommen. Hast du die ganzen Unterhosen gesehen?«
    »Ja …«, lächelte sie, »aber um die Wahrheit zu sagen, diese Hanswurste hatte ich schon ganz vergessen.«
    Eléazard betrachtete sie ein

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