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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Nichts auftauchende »Fliegenkäfige« – eine Prägung der kleinen Loredana, auf die hin Professor Goodchild die Augenbrauen hochgezogen hatte:
    »
Fliegenkäfige? Meine Basiliken – Fliegenkäfige! Also wirklich!
You good for nothing child, I’ll tell it Miss Reynolds when she comes, you know, and what will you do then?«
    Allein schon, dass ihr das wieder eingefallen war, machte die Mühen der Reise mehr als wett …
    Als sie am antiken Theater angelangt war, ganz am Rande des Ausgrabungsgeländes, war sie zur obersten Sitzreihe hochgegangen und hatte sich dort hingesetzt, an den Lieblingsort ihres Vaters. Gleich hinter der Bühne unten war das Meer so still, so transparent, dass man die schwarze Geometrie der Unterwasser-Ruinen glasklar ausmachen konnte. Einer struppigen Palme war es gelungen, rechts vom Orchester zwischen zwei Blöcken Fuß zu fassen. Dicht neben ihr saß auf dem blendend weißen Kalkstein ein winziges Chamäleon und beäugte sie mit würdevollem Misstrauen. Während sie seinen Blick erwiderte, dachte sie, einen besseren Moment könne es nie geben: Jetzt Abschied nehmen, in der vollen Mittagshitze. Sich die Adern öffnen und geduldig warten, bis sie würde wie dieses kleine Tier, das in sich die ganze Wärme der Sonne zu konzentrieren schien.
    Fern von Rom, fern ihrer Stadt würde sie sterben, die dabei so schön ist im Frühling, wenn die plötzlich mild werdende Luft die erstarrten Körper endlich befreit. Weder der Lärm des Verkehrs, der um das Kolosseum tobt, noch die hastigen Pfiffe der Carabinieri fallen dann mehr auf. Bei jedem Schritt bietet sich erst eine Knospe dem Blick dar, dann eine Vielzahl, junge Straßenhändler trotzen tapfer ihrem Stimmbruch, Spatzen tschilpen zwischen den Häusern.
    Ja, so sollte es sein, dachte sie und entsann sich eines der schönsten Sätze, die je geschrieben wurden:
Langsam und aufmerksam sterben, so wie ein Kind bei seiner Mutter trinkt.
    Und dann war ein Schwarm Flamingos am Himmel über den Inseln vorbeigezogen, eine rosa Masse aus diesen schlaksigen großen Vögeln. Für sie war es wie ein Elektroschock aus Schönheit. Irgendetwas am Horizont gebot ihr, noch zu warten und dem, was das Leben für sie bereithielt, weiter zu begegnen.
    Statt sich die Pulsadern aufzuschneiden, war sie also zur Bühne hinabgeschritten, hatte sich dort hingestellt, zu den Sitzreihen gewandt, und das einzige Gedicht deklamiert, das sie auswendig konnte:
    In questo giorno perfetto
    In cui tutto matura
    E non l’uva sola s’indora,
    Un raggio di sole è caduto sulla mia vita:
    Ho guardato dietro a me,
    Ho guardato fuori,
    Mai ho visto tante e cosi buone cose in una volta …
    Loredana schlug die Augen auf und schaute auf die Uhr: Noch fünf Stunden bis Tagesanbruch. Sie hatte gegenüber Eléazard ein schlechtes Gewissen. Im letzten Moment war sie davor zurückgeschreckt, ihm alles zu erklären, und so hatte sie ihm nicht erzählt, dass sie den nächsten Flug nach Rom nehmen würde. Was für eine Erinnerung er wohl zurückbehielt von ihrem kurzen Einfall in sein Dasein? Einige Jahre früher hätte sie es mit ihm versucht. Er vermittelte Geborgenheit, gab Halt, bis hin zu seiner Art zu zweifeln …
     
    Nach einem genaueren Studium von dessen Wortlaut verstaute Wagner den anonymen Brief in seinem Privattresor. Diese Nachricht mochte daherkommen wie eine freundschaftliche Warnung, trotzdem beinhaltete sie etwas Bedrohliches: Es war zutiefst besorgniserregend, dass jemand so viel über seine Verwicklung in jenen Dreifachmord wusste, über den in allen Zeitungen geschrieben wurde. Ganz wie es der unbekannte Informant riet, musste er Maßnahmen ergreifen, noch bevor seine Beteiligung öffentlich bekannt wurde.
    Wagner Cascudo verließ seine Kanzlei, wo die Sekretärin die Stellung hielt, und sprang in den Wagen. Die gesamte Fahrt lang überlegte er, was mit den beiden Handlangern zu tun war, die er auf dem Land versteckt hatte. Die beiden Idioten hatten ihn in die Scheiße geritten, bis zum Hals! Bei der Vorstellung, die Polizei könne sie bei ihm finden, brach ihm der kalte Schweiß aus … Er hatte sie lediglich beauftragt, Carneiro Angst einzujagen, um ihn zum Verkauf zu bewegen; schlimmstenfalls riskierte er eine Anklage wegen Anstiftung zur Nötigung. Es sei denn, die beiden Lumpen würden es auf ihn abwälzen, um ihre eigene Haut zu retten … Er musste sie sofort aus seinem Unterschlupf wegschaffen. Und er war sich noch so schlau vorgekommen, als er sie dort

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