Wölfe und Kojoten

den
formaljuristischen Teil eines Falles, Sharon, Er oder sie befragt Klienten,
schreibt Memoranden und Vermerke, bereitet Beweisstücke für das Verfahren vor,
entwirft den Verlauf von Vernehmungen, stellt die relevanten Unterlagen für die
Verhandlung zusammen — macht also alles, was einem Anwalt die Arbeit
erleichtert, mit Ausnahme der juristischen Beweisführung und der Vertretung der
Klienten vor Gericht.«
    »Die Arbeitsplatzbeschreibung ist mir
bekannt«, sagte ich. »Aber der Anwaltsgehilfe arbeitet doch eng mit dem Anwalt
zusammen, dem er zugeteilt ist; deshalb sollte er meiner Meinung nach ihm auch
direkt unterstellt sein.«
    »Im Augenblick ist das so, und das wird
auch so bleiben, aber wir müssen für einen reibungslosen Fluß der Arbeit
sorgen. Und hier beginnt dein Aufgabenbereich und der der neuen
Ermittlungsabteilung. Als Verwaltungschefin registrierst du sämtliche Fälle und
kontrollierst jede Ermittlungsphase, so daß kein Schritt übersehen werden kann.
Hinzu kommt dann natürlich noch die Aufsicht über deine eigenen Ermittler.«
Glorias glänzende Lippen — exakt das gleiche Rot wie das ihrer Fingernägel —
verzogen sich zu einem Lächeln, als habe sie mir gerade ein besonders nettes
Geschenk gemacht und erwarte überschwenglichen Dank.
    Jetzt wurde mir klar, warum Hank vor
diesem Gespräch nervös gewesen war. Warum Pam und Larry mich nicht ansahen und
warum nur die beiden Partner, die mich am wenigsten kannten, annahmen, ich wäre
begeistert über diese Beförderung. »Das scheint mir ein sehr zeitraubendes
Verfahren zu sein«, sagte ich. »Angesichts meiner häufigen Abwesenheit für
meine eigenen Ermittlungen halte ich das nicht für machbar.«
    Mike runzelte die Stirn, und seine
buschig-schwarzen Augenbrauen bildeten eine durchgehende Linie. Der schnelle
Blick, den er Hank zuwarf, veranlaßte mich, meine Einschätzung der Situation zu
korrigieren. Auch er und Gloria hatten gewußt, daß mir ihr Plan nicht zusagen
würde. »Sharon«, sagte er, »aus diesem Grund hast du ja grünes Licht für die
Einstellung weiterer Ermittler. Sie sollen dir den Rücken freihalten für die
administrativen Aufgaben.«
    Ja, jetzt war alles klar. »Ihr wollt
mich an den Schreibtisch fesseln«, sagte ich ohne Umschweife.
    Mike fuhr ein Stückchen zurück. Seine
Stirn lag noch immer in Falten, und mit den unteren Zähnen nagte er an seinem
sauber gestutzten Bart. Dann gab er sich einen Ruck: offener Blick, lockerere
Redeweise, warmer vertraulicher Tonfall. »Ein großer Sprung nach vorn für dich.
Viel mehr Gehalt. Ach, meine Güte, wir haben ja noch gar nicht den Prämienplan
erwähnt!« Nun schlug er sich doch tatsächlich auch noch mit der Hand gegen die
hohe Stirn und spielte den Zerstreuten.
    Aber auf eine solche
›Aufrichtigkeitstour‹ würde ich nicht hereinfallen. Ich sah von Pam zu Larry
und dann zu Hank und fragte: »Und ihr seid alle dafür? Auch Jack?«
    Hank zog abwehrend die Schultern hoch.
Selten hatte ich ihn so bemitleidenswert erlebt. Pams Finger verkrampften sich
auf ihren jeansbekleideten Oberschenkeln. Larrys Kopf verschwand fast
vollständig in der Einkaufstüte mit den Walnüssen.
    Schließlich sagte Gloria: »Unser
Prämienplan sieht eine Gewinnbeteiligung für dich vor. Ich weiß nicht, ob dir
das bewußt ist, aber wir hatten im letzten Quartal eine Gewinnspanne von
vierzehn Prozent.«
    Ich schwieg. Meine Gefühle waren in
Aufruhr. Einerseits stieß mich ein Schreibtischjob ab, aber andererseits fragte
ich mich, was mit mir los war. Eine kräftige Gehaltserhöhung, Gewinnbeteiligung
— der amerikanische Traum. Warum also war ich dennoch so verwirrt und
widerstrebend?
    »Sharon«, sagte Pam, und ihre feinen
Gesichtszüge wirkten angespannt, »du kannst dir das jetzt vielleicht noch nicht
so vorstellen, aber du wärst eine ganz tolle Abteilungsleiterin. Du könntest
aus der neuen Researchabteilung das wichtigste Standbein unserer ganzen Kanzlei
machen.«
    Researchabteilung. Wie trocken das
klang, nach verstaubten Archiven: bedächtig, methodisch, analytisch — und
langweilig.
    Ich schüttelte verwirrt den Kopf und
kämpfte gegen das Gefühl an, verraten worden zu sein. Ich versuchte, mir die
Rolle vorzustellen, die man mir zugedacht hatte. Einen großen Stab von
Ermittlern zu beaufsichtigen, selbst wenn sie relativ unerfahren waren, wäre
nicht schwer. Ich würde clevere Leute anheuern und ihnen beibringen, was sie
wissen mußten. Auch der Umgang mit den Anwaltsgehilfen wäre kein