Wölfe und Kojoten
wirkliches
Problem. Während meiner Zeit bei All Souls hatte ich eine Menge juristischer
Literatur gelesen und mehr noch quasi nebenbei aufgeschnappt. Was ich mir nicht
vorstellen konnte, waren vierzig Stunden pro Woche hinter dem Schreibtisch.
»Ich halte es weiterhin für falsch, die
beiden Bereiche zu verbinden«, sagte ich.
Mit einer gewissen Schärfe in der
Stimme erwiderte Mike: »Es gehört nicht zu deinen Aufgaben, unser
Organisationsmodell zu kritisieren.«
»Aber vielleicht hat sie einen
vernünftigen Einwand«, sagte Larry nachdenklich. »Wir sollten sie wenigstens zu
Ende sprechen lassen.«
»Larry, das Konzept steht bereits.«
»Aber Mike, sie sagt doch genau das,
was wir vermutet hatten.«
»Natürlich — und wir wissen auch warum,
bedenkt man, woher sie kommt.«
Hank hob schnell die Hand. »Keinen
Streit.«
»Lind woher komme ich?«
Hank machte eine unterbrechende
Handbewegung. »Ich glaube nicht, daß wir das jetzt...«
Pam schnitt ihm das Wort ab. »Wir haben
hier stets alles offen ausgesprochen. Also laßt uns auf den Punkt kommen.«
»Auf welchen Punkt?« wollte ich wissen.
Hank seufzte tief. »Ich hatte dich um
ein Gespräch vor dieser Sitzung gebeten. Aber man durfte dich ja nicht
belästigen. Immer zuviel zu tun, immer unterwegs.«
»Was genau das Problem wäre«, fügte Gloria
hinzu.
Ich sah sie an. »Das Problem?«
»Ja, das Problem.« Sie nickte
nachdrücklich, und ihre langen Locken hüpften auf und ab. »Du bist eine gute
Ermittlerin, Sharon. Aber es fehlt dir an Disziplin. Der Fall Benedict ist ein
gutes Beispiel dafür.«
Den Fall Benedict hatte ich gerade
abgeschlossen. »Was war falsch damit?«
»Hattest du den Auftrag dazu?«
»Anfangs nicht. Hank war im Urlaub.«
»Hast du die Genehmigung bei jemand
anderem eingeholt?«
»Ich habe immer nur Hank Bericht
erstattet. Und als er zurückkam, hat er mir freie Hand gegeben.«
»Nur, weil du schon bis zum Hals
drinstecktest.«
»Jack hat mich gebeten...«
»Dazu hatte er kein Recht, und das
wußtet ihr beide. Es war Jacks privater Kreuzzug. Und indem du seiner Bitte
entsprachst, hast du deine anderen Pflichten vernachlässigt.«
»Das ist übrigens kein Einzelfall«,
fügte Mike hinzu. »Diese Geschichte am Tufa Lake ist ein anderes Beispiel.«
Zornig wandte ich mich an Hank. »Da
hattest du mich ausgeliehen. Die Kalifornische Vereinigung für Umweltschutz hat
der Kanzlei meinen Zeitaufwand ersetzt.«
»Er hat dich nur ausgeliehen«, sagte
Mike, »weil Anne-Marie seine Frau ist und sie dich als Chefberaterin
angefordert hat. Er ist dabei nicht den üblichen Weg gegangen und hat nicht
unsere Genehmigung eingeholt. Das neue Organisationsschema wird künftig solche
Mißbräuche verhindern.«
Überraschenderweise nickte Hank. »Mike
hat recht, das muß ich zugeben. Wir haben das auf unseren Sitzungen
durchgesprochen — und durchgefochten. Früher, als All Souls eine kleine Kooperative
war, konnte ich mir die Regeln zurechtbiegen. Als wir größer wurden, habe ich
es weiterhin getan, jedoch zu unserem Schaden. Wir müssen alle lernen, uns an
die Regeln zu halten.«
Seine Worte verschlugen mir die
Sprache. Sowohl die Worte selbst als auch das, was dahintersteckte.
Einen Augenblick später legte Gloria
ihre Hände zu einer Geste zusammen, mit der sie um Nachsicht für die
entstandenen Meinungsverschiedenheiten bat. Mike beugte sich vor, stützte die
Ellbogen auf die Knie, und sein sanfter Blick bat um Verständnis. Larry sah
schuldbewußt drein, Pam hoffnungsvoll. Hank streckte den Arm aus und drückte
mir die Hand.
Diese Menschen hier wollen dir nichts
anhaben, sagte ich mir. Sie haben nur das Beste für die Kooperative im Sinn.
Aber, verdammt noch mal, sie verlangen zuviel!
»Was meinst du also, Shar?« fragte
Hank.
Ich schwieg weiter.
Gloria setzte hinzu: »All Souls braucht
dich.«
»Ich weiß nicht, ob ihr mich
ausgerechnet in dieser Konstellation braucht.«
»Alles verändert sich, Shar«, sagte
Larry. »Vielleicht solltest auch du dich verändern.«
»Durch die Reorganisation wird eine
Menge Energie freigesetzt«, fügte Pam hinzu. »Du sollst ein Teil davon werden.«
Und Mike sagte: »Ich weiß, Jack würde
dasselbe sagen, wenn er hier wäre.«
Es standen also alle zusammen hinter
diesem neuen Plan, und das bedeutete für mich, zuzustimmen oder zu gehen.
Ich überlegte, wie die Zukunft wohl
aussehen würde, wenn ich diese Beförderung annähme und versuchte, ihre
positiven Seiten zu sehen. Ein
Weitere Kostenlose Bücher