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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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damit. Bisher hatte ich
noch nicht auf seine Gefälligkeit zurückgreifen müssen, und auch der
Aufforderung, die seine handschriftlich hinzugefügte Privatnummer
signalisierte, war ich nicht gefolgt.
    Jetzt zog ich die Karte heraus und
drehte sie um. Die Privatnummer fing mit 648 an, genau wie die von All Souls.
Es war noch zu früh, als daß Chan aus seinem Büro in der Innenstadt zurück sein
konnte, also steckte ich die Karte in meine Jeanstasche. Ich würde es später
bei ihm versuchen. Dann rief ich Barry Ashford in Vernon an. Ich erhielt keinen
Anschluß und steckte den Zettel mit der Nummer zu der Karte.
    Meine Handtasche lag noch unten in Raes
Büro. Ich hatte sie dort liegenlassen, als ich zur Gesellschafter-Sitzung ging.
Jetzt holte ich sie ab und machte mich auf den Weg zur Ravenswood Road im San
Benito County.
     
    Als ich Daly City und die Nebelzone
hinter mir hatte, kam ich in einen heißen, sonnigen Spätnachmittag. Auf der
Peninsula herrschte zähfließender Verkehr, der bei San Jose fast zum Stillstand
kam. Langjährige Erfahrung mit den unterschiedlichen Klimazonen in
Nordkalifornien hat mich gelehrt, einige Kleidungsstücke zum Wechseln im Auto
zu haben, und während ich die Abgase einatmete, dachte ich sehnsüchtig an das
ärmellose Hemd und die Shorts im Kofferraum. Aber der Gedanke, mich in eine lange
Autoschlange vor einer Tankstelle einzureihen, um mich umzuziehen, schien mir
nicht verlockend. Also zog ich mir nur den Pullover über den Kopf und stellte
das Gebläse meines MG auf Maximum. Schließlich lag auch San Jose mit seinen
Wohnsiedlungen und Bürokomplexen, die sich dort erstreckten, wo früher
Orangenhaine gestanden hatten, hinter mir. Der Highway verlief eine Zeitlang
parallel zu einer Bahnlinie. Auf beiden Seiten säumten ihn Obststände mit
frühsommerlichen Früchten. Die einst bäuerlichen Siedlungen Morgan Hill und
Gilroy waren zu Schlafstädten geworden. Erschlossen wurden sie durch ein neues
Stück Freeway, das sich im südlichen Santa Clara County wieder verengte. An der
ersten Abfahrt nach Hollister erinnerte ich mich an einen Fall, den ich einmal
bearbeitet hatte und der in dieser Gegend seinen Ausgangspunkt hatte.
    Die Eukalyptusbäume und Findlinge
tauchten weiter südlich auf, als ich sie in Erinnerung hatte. Es war schon halb
acht vorbei, als ich dort ankam. Ich wendete bei der nächsten Gelegenheit und
fuhr in nördlicher Richtung auf der Kriechspur zurück. Die Abfahrt zur
Ravenswood Road lag etwa hundert Meter innerhalb des felsigen Waldstücks in
östlicher Richtung.
    Ich fuhr auf die Standspur und hielt
an, ohne schon abzubiegen. Auf der anderen Seite der Fahrbahn lagen die
graffiti-verzierten Findlinge, hohe Bäume ragten in die Dämmerung. Hin und
wieder raste ein Auto vorbei. Der Fahrtwind ließ den kleinen MG erzittern. Ich
sah nach Osten. Weiches Abendlicht lag über dem flachen Land. Die Landstraße,
die in die fernen, schroffen Berge führte, teilte es in zwei Teile. Es war
Farmland — Felder mit zartem, noch grünem Getreide, ab und zu unterbrochen von
ein paar Nutzgebäuden, in denen Mähdrescher und Traktoren auf ihren Einsatz
warteten.
    Hy, dachte ich, was hat dich in diese
Gegend geführt? Was war in der Ravenswood Road los?
    Kurz darauf wendete ich und fuhr in
östliche Richtung. Die Fahrbahn war in schlechtem Zustand, voller Risse und
Schlaglöcher. Ich fuhr langsam und suchte nach Hinweisen auf Hys mögliches
Ziel. Die Straße verlief über etwa acht Kilometer fast geradeaus, machte dann
eine scharfe Biegung nach Süden und endete nach etwa einem Kilometer an einem
Weidezaun. Das öde Feld dahinter lag brach. Irgendein Nagetier verkroch sich in
seinem Bau, als ich anhielt. Ich stieg aus und sah mich um.
    Außer einem zweigeschossigen grauen
Haus und einer Scheune in der Ferne war nichts zu sehen. Direkt vor mir stand
einsam ein kahler Baum, der anscheinend von einem Blitz gespalten worden war.
Keine Bewegung und kein Geräusch weit und breit. Nicht einmal ein Hund schlug
bei meinem Eindringen an. Die ganze Umgebung wirkte so tot wie der Baum. Eine
Zufahrt zu dem Anwesen war nicht zu entdecken. Vermutlich gab es eine Zufahrt
von der anderen Seite, von Hollister oder Salinas her.
    Also konnte es auch nicht Hys Ziel
gewesen sein. Das sagte mir schon allein die Logik, aber auch mein Instinkt.
Vom ersten Tag unserer Begegnung an bestand eine seltsame emotionale Verbindung
zwischen Hy und mir. Zuerst hatte ich mich gegen diese Bindung an einen

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