Woerter durchfluten die Zeit
Wortfetzen wie möglich einzufangen. Er saß wie erstarrt auf seinem Platz. Für die Worte seines Großvaters gab es nur eine Erklärung. Batiste de Tremaine hatte Lucys Eltern umbringen lassen. Nur langsam drangen dessen Worte wieder an sein Ohr.
»So überraschend es für uns alle ist, dass noch eine Hüterin existiert, umso erstaunlicher ist das, was Nathan nun herausgefunden hat.«
Er sah Nathan an und dieser räusperte sich und sagte zögernd: »Lucy Guardian vertraut mir und wir waren gestern gemeinsam in der Bibliothek. Sie wollte nachsehen, ob noch ein Buch von Chaucer existiert. Wie ihr wisst, habe ich dieses Buch erst vor wenigen Wochen gerettet.« Die Männer nickten einmütig.
»Das Mädchen war verzweifelt, als sie sah, dass das Buch verloren ist. Und plötzlich erzählte sie mir, dass die Bücher mit ihr sprechen. Ich weiß nicht, ob sie es mir gesagt hätte, wenn der Verlust sie nicht so aufgewühlt hätte. Sie besitzt die Gabe.« Nathan schwieg und fixierte die Männer am Tisch. Die Umarmung verschwieg er.
Er sah in betroffene Gesichter. Es dauerte einen Moment, bis die Männer den Sinn des Gesagten vollständig begriffen hatten. Der Sturm aus Erstaunen und Entrüstung, der losbrach, war deutlich stärker, als der, den der Brief verursacht hatte.
Batiste wartete, bis die Aufregung sich gelegt hatte, dann forderte er Nathan auf weiterzusprechen.
»Ich glaube, dass das Mädchen sich nicht darüber im Klaren ist, was das bedeutet. Überhaupt weiß sie nicht, welche Fähigkeiten sie besitzt. Bisher sind es nur wenige Worte, mit denen die Bücher sich ihr offenbaren. Lucy weiß nicht, was die Bücher damit meinen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es jemals allein herausfinden wird.«
Dass ihm Lucys Name so selbstverständlich über die Lippen kam, ließ einige der Männer am Tisch aufschauen. Nathan entging das nicht.
Batiste unterbrach ihn. »Und trotzdem hindert sie Nathan bereits an der Ausübung seiner Aufgabe.«
Nathans Kopf ruckte herum. Er glaubte, sich verhört zu haben. Batiste schwieg und sah ihm triumphierend in die Augen. Er hatte sich diese Offenbarung genau für diesen Moment aufgehoben, ahnte Nathan.
» Alice ist nicht vollständig in unseren Besitz gelangt. Offenbar genügt allein ihre Anwesenheit in der Bibliothek, um Nathan daran zu hindern, seine Aufgabe zu erfüllen. Sie muss sich nicht einmal darauf konzentrieren.«
»Was ist passiert?«, fragte Nathan gepresst.
»Du kannst dir das Buch anschauen. So wie es ist, ist es wertlos. Es erscheint nicht vollständig.«
»Vielleicht ist dem Buchbinder bei dem Einband ein Fehler unterlaufen«, widersprach Nathan.
»Der Einband ist perfekt«, erklärte Batiste.
»Und du behauptest, dass sie nicht weiß, welche Macht sie hat?«, fragte ein groß gewachsener, grauhaariger Mann vom anderen Ende der Tafel.
»Sie weiß es nicht«, antwortete Nathan bestimmt, aber immer noch bestürzt. Er hätte es bemerkt, sagte er sich. Sie war weder besonders gut darin, ihre Gefühle zu verbergen, noch eine gute Lügnerin. Er konnte sich nicht so in ihr getäuscht haben.
»Und trotzdem besitzt sie die Kraft, Nathan aufzuhalten. Was passiert, wenn sie erst einmal weiß, wer sie ist? Bisher sagen die Bücher nur wenig. Was, wenn sie beginnt, ihnen zu antworten? Wenn sie die richtigen Fragen stellt?«
»Niemals stand der Bund vor einer größeren Bedrohung«, keifte ein kleiner Mann mit verkniffenem Mund dazwischen.
»Solange diese Weiber nur versuchten, uns daran zu hindern, die Bücher zu schützen, war es schon schlimm genug. Doch wenn sie jetzt auch noch versuchen, sie gegen uns aufzubringen, wird unsere Aufgabe unmöglich. Der Bund würde zerfallen. Sie muss vernichtet werden«, fügte er hinzu. Er richtete sich auf und strahlte trotz seiner Körpergröße erstaunlich viel Autorität aus. Nathan gefror auf seinem Sitz. Niemand widersprach dem Mann, der die Bedenken aller hier Versammelten auf den Punkt brachte.
Batiste riss das Wort wieder an sich. Seine Augen hatten sich noch mehr verdunkelt.
»Nathan wird das Problem lösen, Sir FitzAlan. Er weiß, was er dem Bund schuldig ist. Allerdings schlage ich eine andere Taktik vor.«
Nathan betrachtete den Mann interessiert. Die Tremaines waren ein Zweig der FitzAlans, einem der ältesten Adelsgeschlechter Großbritanniens. Diese Familie hatte ebenfalls bretonische Wurzeln. Die vier Überlebenden von Montségur hatten die beiden geretteten Kinder auf der Burg der FitzAlans in Sicherheit
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