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Woerter durchfluten die Zeit

Woerter durchfluten die Zeit

Titel: Woerter durchfluten die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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gebracht. Im sechzehnten Jahrhundert hatte ein Spross dieser Familie das Schloss in Cornwall errichtet, das seither von den de Tremaines für den Bund genutzt wurde.
    Obwohl auch die FitzAlans dem Bund angehörten, war das Verhältnis zwischen den Familien nie besonders herzlich gewesen.
    Gereizt sah der Mann Batiste an. Nur ungern beugte er sich als Spross einer alten englischen Familie den Worten eines Mannes, der niedriger geboren war. Doch Batiste würde das letzte Wort behalten.
    »Wir sollten das Mädchen für unsere Zwecke nutzen. Sie weiß nicht, wer sie ist und woher sie kommt. Niemand hat sie gelehrt, eine Hüterin zu sein. Wir können ihr alles bieten, was sie bisher vermisst hat. Wir holen sie heim, auf den Platz, auf den sie gehört und den ihr dieses Weib Philippa Plantagenet gestohlen hat. Sie hätte sich niemals vom Bund lossagen dürfen. Es war ihre Pflicht, uns zu dienen. Wir werden den Fehler der Vergangenheit nach der langen Zeit endlich ungeschehen machen«, bestimmte Batiste.
    Er ließ einen harten, forschenden Blick über die Gesichter der Männer schweifen. Niemand widersprach. Batiste nickte und wandte sich an Nathan, doch bevor er etwas sagen konnte, wurde er unterbrochen.
    »Ich fordere das Mädchen für mich!«
    Nathans Kopf schnellte herum.
    Ein Mann mit weißblondem Haar war aufgestanden. Er musste etwas über fünfzig Jahre alt sein. Schütteres Haar fiel strähnig um sein ausgemergeltes Gesicht. »Es ist das Vorrecht meiner Familie. Jeder hier weiß das. Meine Familie wäre damals an der Reihe gewesen, die weibliche Linie fortzuführen.« Die anderen am Tisch nickten. »Das Kind, das sie austragen wird, muss ein Spross meiner Familie sein.«
    Nathan betrachtete den hervorstehenden Bauch des Mannes, den auch der dunkle, gut geschnittene Anzug nicht verbergen konnte. Verfärbte Zähne und gelbe Fingernägel zeugten außerdem von einem Laster, das den Perfecti nicht verboten war – dem Rauchen. Bei der Vorstellung, dass diese Hände sich auf Lucys Körper legen würden, schauderte es ihn.
    Ursprünglich hatten die Perfecti enthaltsam gelebt. Das war eine der Regeln ihres Glaubens gewesen. Doch nach der Vernichtung der Katharer blieb den Perfecti nichts anderes übrig, als Nachkommen zu zeugen. Sonst wäre der Bund irgendwann ausgestorben.
    Nathans Miene blieb unbewegt. Er war sich der Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwurde, sehr bewusst.
    »Darüber werden wir reden, wenn das Mädchen sich uns angeschlossen hat, Sir Beaufort. Wir sollten behutsam vorgehen. Erst muss sie erfahren, wo ihr Platz ist.« Sein Großvater wandte sich jetzt direkt an Nathan. »Du wirst zurückfahren und mit dem Mädchen sprechen. Dir vertraut sie. Berichte ihr von uns und von ihrer Herkunft. Das Kind muss nicht wissen, dass ihre Vorfahren Verräter waren. So wird es am besten für alle Beteiligten sein.«
    Nathan nickte und dachte über die Worte seines Großvaters nach. Es klang nach einem perfekten Plan. Lucy musste nicht erfahren, dass ihre Familien seit Jahrhunderten verfeindet waren. Ihm fiel eine Zentnerlast von seinen Schultern.
    Er lächelte, als er seinem Großvater antwortete. »Ich werde sie einweihen und sie überzeugen, wie wichtig unsere Aufgabe ist.«
    »Gut. Ich schlage vor, dass wir uns nun zurückziehen.« Er warf einen Blick zu den großen Fenstern. Die Morgendämmerung zog herauf. In wenigen Stunden würde es hell sein. Harold trat neben Batistes Stuhl und half ihm aufzustehen. Batiste ging zur Tür und verließ den Saal.
    Unbemerkt von den anderen faltete Nathan den Brief und ließ ihn in seine Tasche gleiten.
     

 
    Ein Buch greift immer dem Leben vor.
    Es ahmt das Leben nicht nach, sondern formt es nach seiner Absicht.
     
    Oscar Wilde
14. Kapitel
     
    Lucy wartete.
    Weshalb rief Nathan nicht an? Weshalb erreichte sie ihn nicht? Heute war Dienstag. Seit Samstag hatten sie sich weder gesehen noch miteinander telefoniert. Mehrmals hatte sie ihm auf seine Mailbox gesprochen, doch er hatte sich nicht zurückgemeldet. Ob ihm etwas zugestoßen war? Oder war sie womöglich zu aufdringlich? Sie waren schließlich nur Freunde. Er musste sich nicht täglich bei ihr melden. Sie vermisste ihn, gestand sie sich ein. Mehr als sie für möglich gehalten hätte. Selbst Marie ging sie mit ihren beinahe stündlichen Nachfragen auf die Nerven. Zum Glück nahm die es mit Humor.
    Lucy überlegte, ob sie zu seinem Haus fahren und dort nach ihm fragen sollte. Allerdings gab es sicher einen Grund, weshalb er sich

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