Woerter durchfluten die Zeit
Bibliothek parkte.
Die schwarze Limousine, die ihr schon vorhin gefolgt war. Lucys Magen zog sich zusammen. Das konnte kein Zufall sein.
Ein älterer Mann mit der Uniform eines Chauffeurs stand neben dem Wagen. Als er Lucy sah, öffnete er die Tür zu den Rücksitzen. Höflich aber bestimmt sprach er Lucy an.
»Mr. de Tremaine wünscht Sie einen Moment zu sprechen«, sagte er freundlich.
»Nathan de Tremaine?«, fragte Lucy nach.
»Nein, Sir Batiste de Tremaine«, antwortete der Mann, und als ob er Lucys Furcht spürte, fügte er hinzu: »Sie brauchen keine Angst zu haben. Es ist nur ein Gespräch.« Jetzt lächelte er aufmunternd.
Nur ein Gespräch dachte Lucy. Ok, das würde sie schaffen. Sie näherte sich dem Wagen und rutschte auf den Rücksitz. Augenblicklich sah sie sich einem weißhaarigen Mann gegenüber, der sie aus schwarzen Augen durchdringend musterte. Lucys Furcht verstärkte sich und sie verwünschte sich dafür, in den Wagen gestiegen zu sein. Doch im gleichen Moment schlug die Tür hinter ihr zu.
Lucy nahm all ihren Mut zusammen.
»Was möchten Sie von mir?«, fragte sie.
Der Mann ihr gegenüber schwieg immer noch. Lucy registrierte, wie die Scheibe zwischen den Vorder- und Rücksitzen hochfuhr und das Auto sich langsam in Bewegung setzte.
Sie erschrak. »Wo fahren wir hin?«, entfuhr es ihr.
»Sie brauchen keine Angst zu haben, junge Dame«, antwortete Batiste endlich. Für seine kalten Augen hatte er eine erstaunlich warme Stimme. »Ich möchte mich nur ein wenig mit Ihnen unterhalten. Sie sehen Ihrer Mutter sehr ähnlich.«
»Sie kannten meine Mutter?«, fragte Lucy verblüfft.
»So kann man es wohl bezeichnen. Auch mit ihr habe ich mehrere Gespräche geführt und versucht, sie zur Vernunft zu bringen. Ich kann nur hoffen, dass Sie einsichtiger sind.« Er lachte und das Lachen klang eisig.
Trotz der Wärme im Auto schauderte es Lucy und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als den Wagen zu verlassen. Unauffällig lugte sie nach dem Griff, mit dem sie die Wagentür von innen öffnen konnte. Batiste folgte ihrem Blick und lächelte abfällig.
»Vergessen Sie das ganz schnell.«
Lucy biss sich auf die Unterlippe.
»Was wollen Sie von mir?«, wiederholte sie dann trotzig ihre Frage. Er war nur ein alter Mann.
»Nathan hat mit Ihnen gesprochen«, stellte er fest.
Lucy nickte.
»Und? Werden Sie den Platz, an den sie gehören, wieder einnehmen und ihn unterstützen?«
Lucy ahnte, dass es klüger wäre, seine Frage mit Ja zu beantworten. Doch das winzige Wort kam ihr nicht über die Lippen. Es schien ihr wie ein Verrat an den Büchern.
»Ich habe mich noch nicht entschieden«, sagte sie vorsichtig. »Ich wollte heute noch einmal mit Nathan darüber reden. Sie müssen das verstehen. Bis vor ein paar Tagen wusste ich von all dem noch nichts.« Sie versuchte hilflos zu klingen und zu ihrer eigenen Überraschung schien ihre Taktik aufzugehen.
Batiste de Tremaine lächelte beinahe großväterlich und tätschelte ihre Hand.
»Das ist sehr klug von Ihnen. Nathan wird Sie in Ihre Aufgabe einweihen und ich werde Ihnen beibringen, wie Sie die Bücher in unsere Obhut bringen. Ihnen beiden wird Großes gelingen. Sie und Nathan werden so viele Bücher retten können. Noch in Jahrhunderten wird man unserer Namen gedenken. Wir können die Linien wieder vereinigen, nach so vielen Jahren.« Jetzt hatte das Lächeln einen selbstgefälligen Zug angenommen. »Reden Sie mit Nathan und dann begleiten Sie ihn am nächsten Wochenende zu unserem Landsitz. Wir sollten mit Ihrer Ausbildung schnellstmöglich beginnen. Ich hoffe, dass Sie es sich nicht noch einmal anders überlegen.« Wieder hatte seine Stimme einen drohenden Ton angenommen.
Er hob seinen Stock und klopfte damit an die Scheibe. Sofort fuhr diese herunter. »Sie können anhalten, Harold«, befahl Batiste.
Kurze Zeit später hielt der Wagen und Harold öffnete die Tür. Mit zitternden Knien stieg Lucy aus. Harold lächelte ihr noch einmal aufmunternd zu und stieg ein. Die Limousine rauschte davon. Es dauerte eine Weile, bis Lucy wagte, sich zu bewegen. Ihre Beine fühlten sich an, als wären sie aus Watte. Langsam setzte sie einen Schritt vor den anderen. Die letzten Worte von Batiste de Tremaine waren eindeutig eine Warnung gewesen.
Lucy schob ihre Hände tief in ihre Jackentaschen und lief los. Sie hoffte, dass die Bewegung ihr helfen würde, dem Zittern in ihrem Inneren Herr zu werden. Sie musste dringend mit jemandem reden. Nur mit wem?
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