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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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Milchglas, tote Fliegen mit ausgestreckten Beinen auf dem Fenstersims. Wie viele Leute lagen noch tot da draußen und warteten nur darauf, entdeckt zu werden?
    Ich holte meinen Wagen am Park&Ride ab und fuhr im Regen zum Supermarkt. Ich hatte das Radio an und ging im Kopf die Liste der Dinge durch, die ich mir nach dem traumatischen Erlebnis am Wochenende gönnen wollte. Vielleicht würde ich mir etwas zu essen liefern lassen. Ein ausgiebiges Bad nehmen. Ein Buch lesen oder einen Film anschauen.
    Ich lebte schon seit Jahren alleine, und es gefiel mir. Außerdem hatte ich eine Katze. Und ich hatte meine Schutzengel.
    Meine Mom wurde immer gebrechlicher. Seit einem Sturz im vergangenen Jahr hatte sie große Angst davor, das Haus zu verlassen, obwohl sie sich nur leicht verletzt hatte – also schrieb sie mir Einkaufslisten und beauftragte mich mit der Abholung ihrer Rezepte und dem Erledigen ihrer Post. Ich fuhr auf dem Weg von der Arbeit nach Hause meistens drei-bis viermal die Woche bei ihr vorbei, machte ihr Abendessen und den Abwasch. Eigentlich hätte sie selbst kochen oder abspülen können, doch als sie im Dezember an einer Brustentzündung erkrankte, hatte ich begonnen für sie zu kochen und tat das auch weiterhin, wenn ich in der Nähe war, obwohl sich ihr Zustand inzwischen sehr verbessert hatte.
    Sie bewohnte ein altes Reihenhaus im viktorianischen Stil unweit des Zentrums. Ihr alter Nissan Micra parkte noch immer davor und rostete vor sich hin, dennoch bestand sie darauf, ihn weiterhin zu versichern und die Kraftfahrzeugsteuer zu bezahlen, falls sie plötzlich das Bedürfnis verspüren sollte, das Haus zu verlassen. Ich parkte hinter ihrem Wagen, blieb einen Augenblick sitzen und genoss das Gefühl von Ruhe und Einsamkeit.
    Mit meinem Schlüssel, den ich an einem separaten Schlüsselring befestigt hatte, um mir einzureden, dass es sich nur um eine vorübergehende Angelegenheit handelte, öffnete ich die Tür. »Ich bin’s, Mom!«, rief ich. Aus dem hinteren Zimmer dröhnte laut der Fernseher – wie immer um diese Zeit lief irgendeine TV-Serie.
    »Hallo, Liebes«, sagte sie, ohne mich anzusehen. »Würdest du bitte den Thermostat aufdrehen? Es wird langsam ein wenig kühl.«
    Ich griff über ihren Kopf hinweg zum Temperaturregler und drehte ihn auf, bis ich in der Küche die Gasheizung starten hörte.
    »Ich habe dir eine Fertigsuppe mitgebracht«, sagte ich. »Brokkoli mit Stilton-Käse.«
    Sie verzog das Gesicht, sagte dann aber: »In Ordnung, Liebes. Wenn sie weg muss.«
    Das war meine Lieblingssuppe. Ich öffnete sie und stellte sie in die Mikrowelle, auch wenn meine Mutter jedes Mal einen Aufstand machte, weil ich sie nicht im kleinen Topf aufwärmte. Doch der stand total verkrustet mit den Resten der Rühreier, die sie sich zum Frühstück gemacht hatte, im Spülbecken. Während ich darauf wartete, dass die Suppe fertig wurde, ließ ich heißes Wasser in den Topf und gab Spülmittel dazu. Ich schaltete die Mikrowelle ab, bevor das verräterische Klingelzeichen ertönen konnte, goss die Suppe in ein Schälchen, stellte sie zusammen mit einem Teller mit einem gebutterten Vollkornbrötchen auf ein Tablett und brachte es ihr.
    »Gibt’s keine weißen Semmeln?«, fragte sie enttäuscht.
    »Beim Co-op gab es keine mehr«, flunkerte ich. »Außerdem ist Vollkornbrot besser für dich. Du brauchst mehr Ballaststoffe, Mom, vor allem, wenn du jeden Tag Rühreier isst.«
    Sie wandte sich wieder dem Fernseher zu.
    Ich wusch ab, schrubbte den Topf und hoffte, sie würde ihn nächstes Mal wenigstens einweichen, dann putzte ich die Küchenoberflächen. Danach ging ich zu ihr ins Wohnzimmer zurück. Sie hatte die ganze Suppe aufgegessen, obwohl sie immer behauptete, sie würde ihr nicht schmecken.
    »Da du schon mal da bist«, sagte sie, »könntest du nach meinem Sparbuch suchen.«
    Zu dem Augenblick, an dem sie sagte, »da du schon mal da bist«, kam es irgendwann immer und meistens dann, wenn ich bereits den Mantel angezogen hatte und gehen wollte.
    Ich ging ins andere Zimmer und zog die obere Schublade der Kommode auf, in der sie ihren abgelaufenen Pass, ihren Führerschein, Garantiescheine und Bedienungsanleitungen für jedes elektrische Gerät aufbewahrte, das sie in den letzten dreißig Jahren gekauft hatte – zuoberst die Unterlagen, die sie nie wieder brauchen würde, und erst dann alle anderen Dokumente: Bausparverträge, ihren Behindertenausweis, Familienfotos.
    »Mom, das liegt direkt hier.«
    Das

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