Wofür du stirbst
diese Besessenheit ist das Ergebnis von Langeweile und zu vielen Pornofilmen.
Also suche ich Trost in der täglichen Routine. Montagabend lerne ich. Dienstags gehe ich ins Fitnessstudio. Mittwochs ist Wasch-und Putztag. Donnerstag gehe ich ins College. Freitag ist Fastfood-und Filmtag. Samstag und Sonntag – nun ja. Sagen wir so, ich gestalte meine Wochenenden gerne flexibel. Und natürlich besuche ich meine Freunde. Ich halte gerne mit ihnen Kontakt.
Mein Hauptaugenmerk gilt allerdings immer dem Studium. Obwohl mein letzter Studiengang ziemlich interessant war, fand ich ihn nicht besonders anspruchsvoll. Ich habe alle meine Aufsätze rechtzeitig abgeliefert, manche habe ich sogar vorzeitig abgegeben und mühelos eine Eins dafür bekommen.
Als dieser Kurs letztes Jahr zu Ende ging, habe ich mich nach einem Teilzeitstudium umgesehen, aber nur sehr wenig gefunden, was mein Interesse weckte. Ich hatte mir sogar schon überlegt, noch einmal einen Biologiekurs zu belegen, denn den fand ich am interessantesten. Doch dann habe ich NLP und Verhaltensanalysetechniken für berufliche und soziale Interaktion entdeckt. Dabei ging es mir nicht so sehr um den Beruf, ich habe keinerlei Interesse daran, bei der Gemeinde karrieremäßig voranzukommen – mich reizte der Gedanke, dass ich in dem Kurs lernen würde, mir Einsicht in die Gedanken und Absichten anderer zu verschaffen. Der Kurs war faszinierend, wenn auch ziemlich anspruchslos. Die wenigsten Kurse, die ich am College belegt hatte, waren anstrengend, und dieser war keine Ausnahme. Nein, mich faszinierten die Möglichkeiten, die sich mir mithilfe des Kurses erschlossen: Gedankenübertragung, Hypnose (damit ist nicht Hypnotherapie gemeint, das ist ein ganz anderes Gebiet), Neurolinguistisches Programmieren – eine Fehlbezeichnung sondergleichen – und Gehirnwäsche. Ich belege nur selten einen Kurs, ohne gleichzeitig zusätzliche Studien zu betreiben, vor allem, wenn mich das Thema begeistert, und dieses eröffnete mir ein ganzes Universum neuer Möglichkeiten. Obwohl ich nur selten länger als ein Jahr bei einem Thema bleibe – außer, es handelt sich um einen Studiengang mit Abschluss – fand ich dieses besonders fesselnd und belegte auch den nächsten Kurs. Es überraschte mich, dass die anderen Teilnehmer es ebenso machten, obwohl ich ihre Intelligenz nicht sonderlich hoch eingeschätzt hatte.
Warum diese ganze Verhaltensanalyse mich allerdings dazu verleitete, jede Nacht zu wichsen, weiß ich nicht.
Zu Beginn des Kurses lag ich grübelnd im Dunkeln – wie unzählige Männer vor mir, dessen bin ich mir sicher – und überlegte mir, wie ich bei all diesem zwischenmenschlichen Kontaktscheiß eine Frau dazu brachte, mit mir zu schlafen.
So hässlich bin ich nun auch wieder nicht, oder? Ich bin über einen Meter achtzig groß, gut gebaut, aber nicht übergewichtig, ich kleide mich gut und bin blitzsauber – was will eine Frau mit Selbstachtung mehr? Meine einzige Schwäche ist wohl, dass ich nicht die Fähigkeit besitze, das zu sagen, was sie hören wollen. Was wollen Frauen also wirklich? Sie müssen das nicht beantworten. Ich habe nicht die geringste Ahnung – aber den Verdacht, dass sich Ihre Antwort von der Ihres Nächsten erheblich unterscheiden wird.
Ich hatte mir überlegt, zu einer Prostituierten zu gehen, aber ehrlich gesagt weigere ich mich, für etwas zu bezahlen, das der letzte Depp des Landes sich kostenlos beschaffen kann. Ganz abgesehen davon, dass man sich dabei eine furchtbare Krankheit einfangen könnte. Trotz meiner Vorbehalte bekomme ich die Vorstellung, zu einer Nutte zu gehen, nicht mehr aus dem Kopf. Ich stelle mir vor, wie ich alleine auf der London Road langsam in der Dunkelheit von einem orangefarbenen Lichtkreis zum nächsten fahre, Gestalten sehe, die sich im Schatten bewegen, Frauen, die irgendwo mit dem Rücken an einer Wand lehnen oder auf unmöglich hohen Stöckelschuhen den Gehsteig dahinschlendern und die Hüften schwingen. Ich halte bei einer dieser Gestalten an – kann sie zwar nicht deutlich erkennen, habe mich aber irgendwie für sie entschieden. Sie tritt ins Licht und beugt sich durch das offene Autofenster zu mir herein.
In manchen Nächten ist sie alt, mindestens um die fünfzig, und hat lockiges schwarzes Haar, bestimmt eine Perücke. Sie lächelt mich an, steigt in den Wagen, und wir fahren zu einer versifften Wohnung voller rosafarbenem Nylon-und Polyesterkram, die in ihren Augen vermutlich hübsch eingerichtet
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