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Wofür es sich zu leben lohnt

Wofür es sich zu leben lohnt

Titel: Wofür es sich zu leben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pfaller
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nicht, du kommst gleich wieder, denn immer wenn im Horrorfilm jemand so etwas sagt, wird er gleich darauf umgebracht.« [55]
    Auch die Wahrheit ist also in der Komödie dem Prinzip des Gelingens unterworfen. Für die Komödie ist die Wahrheit keine tragische Heldin, die an der schlechten Welt zerbrechen muss. Gemäß ihrer materialistischen Militanz widerspricht die Komödie damit einer ganzen Reihe feindlicher Positionen in dieser Frage. Zunächst lässt sie nicht gelten, dass die Wahrheit etwas sehr Seltenes oder gar für diese Welt zu Kostbares wäre (wie es die typischen salbungsvollen Frage-Gesten der Dekonstruktivisten, vom Typ »Wissen wir denn überhaupt, was es heißt, zu sprechen?«, gerne tun). Damit wird zugleich auch die spaßkulturelle Yuppie-Variante dieser Position, derzufolge wir uns lieber amüsieren sollten, anstatt uns für etwas Ernsthaftes zu engagieren, weil wir die Wahrheit ohnehin nie erfahren werden, von der Wahrheitsliebe der Komödie bekämpft.
    Und schließlich bestreitet die Komödie das Prinzip »traurig, aber wahr«. Die Wahrheit ist für die Komödie keineswegs immer traurig, und noch weniger lässt sie die These gelten, dass Traurigkeit ein Zeichen von Wahrheit sei: Denn nicht alles, was wahr ist, ist traurig, und schon gar nicht ist alles, was traurig ist, bloß deshalb auch wahr. [56] Damit widersetzt sich die Komödie jenen verbissenen Wahrheitssuchern, die allein durch das finstere Gesicht, das sie machen, den Anspruch erheben, etwas besonders Wesentliches, Wichtiges oder Authentisches entdeckt zu haben. [57]
    Diese mehrfache Feindschaft gereicht der Komödie zur Ehre: Denn durch sie zeigt sich, dass diejenigen, die die Wahrheit so hochhalten, dass sie sie selbst nicht erreichen können; diejenigen, die hoffen, niemals die Wahrheit berühren zu müssen, weil sie ihr Vergnügen durch die Wahrheit bedroht sehen; und diejenigen, die – umgekehrt – eine Wahrheit jenseits des Vergnügens und damit jenseits der Welt für sich beanspruchen, Verbündete sind. Die Komödie entlarvt die scheinbar so verschiedenen philosophischen Gestalten des zwanghaft skeptischen Dekonstruktivisten, des krampfhaft fröhlichen, spaßkulturellen Relativisten und des getrieben weltfernen, humorlosen, asketischen Wahrheitssuchers als Komplizen – als Anhänger ein und desselben tragischen, jeglicher Diesseitigkeit und Heiterkeit der Wahrheit feindlich gesinnten idealistischen Paradigmas.
    2 . Die These vom Vorrang der Erscheinung:
»Erzählt Euch keine Geschichten!«
    Ein zweites Motiv, mit dem der philosophische Materialismus meist charakterisiert wird, ist die Lehre vom Atomismus. Die Welt besteht, dieser Lehre zufolge, aus einer gleichbleibenden Anzahl von Atomen, »denn nichts wird aus nichts, und nichts wird zu nichts«. [58] Und ihre verschiedenen Gestalten nimmt die Welt an, weil die auf parallelen Bahnen fallenden Atome aufgrund kleiner Abweichungen gelegentlich kollidieren und dadurch größere Einheiten bilden. [59] Die Annahmen Demokrits über die unzerstörbaren und unteilbaren kleinsten Einheiten der Welt und Epikurs These über deren chaotischen, leichten Ablenkungen unterworfenen Fall erscheinen zunächst in erster Linie als kosmologische Theorie. Als solche wäre sie heute vielleicht allenfalls für Historiker der Naturwissenschaften, jedoch schwerlich für jemand anderen von Interesse. Es bliebe kaum verständlich, wieso materialistische Philosophen und Theoretiker der Gesellschaft wie Karl Marx oder Louis Althusser sich für diese chaotisch herabregnenden Teilchen interessiert haben sollten. [60]
    Dank der Komödie wird es möglich, auch der materialistischen Lehre vom Atomismus einen präzisen Sinn zu geben und – wieder durch eine kleine Akzentverschiebung – zu zeigen, dass sich hinter dem scheinbar kosmologischen Argument eine ethische These verbirgt. Der Satz,
»die Welt besteht aus Atomen, die ihrer Bahn folgen und dabei manchmal zusammenstoßen und größere Einheiten bilden«
lässt sich gut anhand der Struktur gängiger Komödien illustrieren. Nehmen wir zum Beispiel die bekannte amerikanische Fernseh-SitCom »Golden Girls«. Dort gibt es vier Damen, sozusagen vier verschiedene Atome, die alle völlig gesetzmäßig ihren eigenen Bahnen folgen. In ihrer Fixiertheit auf jeweils einen bestimmten eindimensionalen Charakter (und die ihm entsprechenden Themen) funktionieren sie geradezu wie Maschinen: die verantwortungsbewusste Kluge, die Einfältige, aber Gutmütige, die

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