Wohin die Liebe führt
mir die Auskunft gegeben, daß du auf ihrer Passagierliste für die Maschine von Los Angeles gebucht hattest, die Freitag nachmittag zehn Minuten nach vier in San Francisco ankam. Wenn man die üblichen Verspätungen durch den Straßenverkehr einrechnet, müßtest du gegen. sagen wir, fünf Uhr zu Hause gewesen sein. Hat der Streit zu diesem Zeitpunkt begonnen?«
Jetzt wurden ihre Augen kalt und zornig. »Ungefähr, ja.«
»Also hat der Streit, von dem du ausgesagt hast, er habe sich
durch den ganzen Tag hingezogen, ungefähr nachmittags um fünf Uhr begonnen? Ist das richtig?«
»Das ist richtig.«
Wieder fuhr Gordon wie ein Schachtelmännchen in die Höhe. »Euer Ehren«, sagte er, »ich muß denn doch.«
»Mister Gordon!« Die Stimme des Richters klang jetzt sehr ärgerlich. »Bitte enthalten Sie sich jeder weiteren Unterbrechung dieser Verhandlung! Als der Anwalt, der doch wohl die Jugendliche vertritt, sollte Ihnen jede Information willkommen sein, die Licht auf ihre Handlung wirft und zu ihrer Verteidigung beitragen kann. Es kommt mir allmählich so vor, als versuchten Sie, zu vielen Herren zu dienen und zu viele Tatsachen im voraus zu beurteilen. Lassen Sie mich Ihnen wiederholen, daß ich hier der Richter bin und daß Sie jede Gelegenheit haben werden, Ihrer Meinung zu gegebener Zeit Ausdruck zu verleihen. Bitte nehmen Sie Ihren Platz wieder ein, Mister Gordon!«
Gordon setzte sich. Sein Gesicht war blaurot vor Wut. Der Richter sah mich wieder an: »Bitte, fahren Sie fort, Colonel Carey.«
»War jemand zu Hause, als du ankamst?« fragte ich.
Zum erstenmal zögerte Nora. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
»War jemand von der Dienerschaft zu Hause?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Waren Dani oder Tony Riccio da?«
»Ja.«
»Beide?«
»Beide.«
»Hast du sie gesehen, als du ins Haus kamst?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich ging direkt ins Atelier. Ich wollte einige Ideen skizzieren, die mir inzwischen gekommen waren, ehe sie mir wieder verlorengingen.« »Um welche Zeit hast du sie dann endlich gesehen?«
Sie blickte mich an. Zum erstenmal sah ich einen bittenden Blick in ihren Augen. Als wollte sie mich beschwören aufzuhören.
»Um welche Zeit?« wiederholte ich kalt.
»Gegen.. .gegen sieben Uhr dreißig.«
»Dann fing der Streit nicht vor sieben Uhr dreißig an, nicht um fünf Uhr?« fragte ich.
Sie sah auf ihre Hände. »Das ist richtig.«
»Du hast bei der Vernehmung durch den Untersuchungsrichter auch gesagt, daß es bei dem Streit mit Riccio um geschäftliche Fragen ging«, sagte ich. »Das war nicht der wahre Grund, oder doch?«
»Nein.«
»Und als du Miss Spicer sagtest, du wüßtest nichts über Danis Verhältnis zu Riccio«, sagte ich, »da hast du ebenfalls nicht die Wahrheit gesagt - oder doch?«
Sie fing stumm zu weinen an, die Tränen sammelten sich auf ihren unteren Augenlidern und rollten ihre Wangen hinunter. Ihre Hände begannen nervös zu zucken. »Nein.«
»Wo hast du sie gefunden?«
»Als ich hinaufging; ich wollte mich zum Abendessen umziehen.«
»Wo, nicht wann! In welchem Zimmer?«
Sie sah nicht auf. »In Ricks Zimmer.«
»Was taten sie?«
»Sie waren.« Jede Spur von Empfindung war aus ihrer Stimme gewichen. Ihre Augen waren stumpf und glasig. »Sie waren im Bett.«
Ich sah sie an. »Warum hast du das nicht beim Verhör gesagt?«
»Alles war ohnedies schlimm genug«, flüsterte sie. »Ich dachte nicht.«
»Du dachtest nicht!« unterbrach ich sie bitter. »Das ist es ja gerade. Du hast gedacht! Du wußtest. Wenn du so viel sagen würdest, so müßtest du bald die ganze Wahrheit sagen. Die ganze Wahrheit über alles, was sich in jener Nacht abspielte.«
»Ich. ich verstehe dich nicht!« sagte sie mit einem verwirrten, ängstlichen Ausdruck in den Augen.
»Du verstehst mich recht gut!« sagte ich brutal. »Ich weiß nicht, wie du Dani dazu gebracht hast, damit einverstanden zu sein, aber du wußtest, wenn du die Wahrheit sagst, so konnte das übrige nicht geheimgehalten werden. Nämlich, daß du diejenige warst, die Tony Riccio erstochen hat, nicht Dani!«
Ich konnte sehen, wie sie vor meinen Augen alt wurde. Ihr Gesicht erstarrte, und auf einmal waren Linien darin, die ich vorher nie gesehen hatte.
Da kam von hinten ein lauter Aufschrei. »Nein, Mutter, nein! Er kann dich nicht zwingen zu sagen, daß du es getan hast!«
Ich drehte mich halb nach Dani um, aber sie war schon aufgesprungen und lief auf ihre Mutter zu. Sie nahm Nora in ihre
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