Wohin die Liebe führt
Huren wir wären. Mutter sagte, wenn er nicht schleunigst ver-schwände, würde er im Zuchthaus enden wegen noto.« - sie stolperte über das Wort - »notorischer Notzucht.«
Eine leichte Unruhe ging durch den Saal.
»Dann hörte ich Mutter lachen und sagen, daß sie von ihm nichts anderes erwartet habe. und wieviel er verlange. Tony lachte auch. Nun kämen sie der Sache schon näher, sagte er. Fünf zigtausend Dollar. Mutter erwiderte, er sei wohl ganz verrückt. Zehntausend würde sie ihm geben und keinen Cent mehr. Also fünfundzwanzig, sagte er. Gut. Gemacht, sagte Mutter. Und da geriet ich außer mir.«
Die Tränen stürzten ihr in die Augen und liefen ihre Wangen hinab. »Ich wurde rasend! Ich konnte nichts anderes denken, als daß sie es schon wieder so machte. Genau das, was sie mit jedem machte, den ich gern hatte: Sie schickte Tony fort!
Ich stieß die Tür auf und schrie sie an: >Das darfst du nichtc, schrie ich. >Du darfst ihn nicht fortschicken! < Mutter sah mich nur an und befahl mir, wieder hinaufzugehen in mein Zimmer. Ich sah Rick an. Er sagte, ich solle tun, was meine Mutter mir befahl. Da sah ich den Meißel auf dem Tisch neben der Tür. Ich nahm ihn und rannte auf Mutter zu. >Du darfst ihn nicht fortschickem, schrie ich, >eher bring ich dich um!<
Ich hob den Arm und stieß nach Mutter, aber wie aus dem Boden gewachsen war Rick plötzlich zwischen uns, und der Meißel steckte in seinem Bauch. Er stand da und drückte die Hände gegen den Bauch. >Herr im Himmel, Dani, warum hast du so etwas Idiotisches getan?< sagte er. Dann sah ich, wie das Blut zwischen seinen Fingern hervorquoll, und rannte schreiend an ihm vorbei zu Mutter. >Das wollte ich nicht, Mutter<, schrie ich, >das wollte ich nicht, Mami!<
>Ich weiß, du wolltest es nicht, mein Kleines«, sagte sie zärtlich, immer wieder. >Ich weiß, du wolltest es nicht!<
Dann sagte sie, wir wollten allen Leuten erzählen, daß er ihr weh getan habe und daß ich es getan hätte, um sie zu beschüt-zen. Dann brauche auch kein Mensch zu erfahren, was zwischen Tony und mir gewesen war. Sie wiederholte es immer wieder, um ganz sicher zu sein, daß ich es auch genauso sagen würde. Dann schlug ich die Hände vors Gesicht und schrie, und dann ging die Tür auf, und Charles kam herein.«
Sie klammerten sich aneinander, jetzt weinten sie beide; ich starrte sie an. Es war beinahe, als sähe ich sie auf einem Stereofoto ohne die Brille: wie zwei getrennte Bilder derselben Person. Sie sahen so gleich aus, dieselben Tränen rollten ihnen über die Wangen. Mutter und Tochter. Ganz gleich. Aus einem Holz geschnitzt. Ich sah sie an wie hypnotisiert. Dann plötzlich schien der Bann gebrochen. Denn nun waren Danis Augen trocken. Nur Nora weinte noch immer.
»Nun weißt du die Wahrheit, Daddy«, sagte Dani ruhig. »Bist du jetzt zufrieden?«
Ich sah ihr tief in die Augen. Ich weiß nicht, was ich darin las
- aber der Druck in meinem Innern löste sich. Nun wußte ich die Wahrheit. Noch verstand ich nicht, wieso ich die Wahrheit wußte, denn Dani hatte sie nicht ausgesprochen, aber darauf kam es jetzt nicht an. Denn dies war so, wie es Dani haben wollte. Weil es auch einfach so war, wie es sein mußte. Und weil ich in tiefster Seele wußte, daß sie keinen Mord begangen hatte.
Der Richter ordnete eine Unterbrechung von zehn Minuten an. Als er zurückkam, saßen wir alle still da, in Erwartung seiner Entscheidung.
»Das Gericht hat entschieden, daß der Staat Kalifornien die Vormundschaft über die Jugendliche Danielle Nora Carey behält, wie die Bewährungsbehörde dies vorgeschlagen hat. Deshalb wird sie der Obhut des Kalifornischen Jugendamtes übergeben und ist von ihrer Bewährungshelferin in die Nordkalifornische Aufnahmezentrale in Perkins einzuweisen, für die übliche Zeit von sechs Wochen, nach der eine genaue Diagnose möglich ist. Nach Ablauf dieser Zeit und nach Zustimmung dieser Amtsstelle wird sie in das Los-Guilicos-Erziehungsheim in Santa Rosa überwiesen für die Dauer von mindestens sechs Monaten, die zu ihrer Wiederherstellung unerläßlich nötig scheinen. Danach wird das Gericht den Antrag in Erwägung ziehen, sie der Fürsorge ihrer Großmutter mütterlicherseits anzuvertrauen, den es gegenwärtig zu seinem Bedauern ablehnen muß. Die Jugendliche Danielle Nora Carey wird hiermit zum Mündel des Staates Kalifornien erklärt, bis sie das gesetzliche Alter von achtzehn Jahren erreicht oder aber durch dieses Gericht aus der Vormundschaft
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