Wohin du auch fliehst - Thriller
Tablett, Teekanne, Tasse und einem Kännchen Milch zurück. »Ich heiße Lee«, sagte er und gab mir die Hand.
Ich sah in zwei sehr blaue Augen. »Catherine«, sagte ich. Seine Hand fühlte sich warm an, und er hatte einen festen Händedruck. Stunden später, als ich schon im Bett lag, konnte ich seinen Duft noch an meiner Hand riechen.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und musste lachen – normalerweise ist es nicht leicht, mich zum Schweigen zu bringen. Gern hätte ich ihn gefragt, ob er das Schwimmen genossen hatte, aber irgendwie klang das dämlich. Außerdem hätte ich ihn gern gefragt, ob er Single ist, doch das wäre zu direkt gewesen. Darüber hinaus hätte ich gern gewusst, ob er auf mich gewartet hatte. Fragen über Fragen, aber im Grunde wusste ich, dass ich die Antworten bereits kannte: Ja, ja und nochmals ja.
»Ich habe mir die ganze Zeit überlegt, wie du heißen könntest«, sagte er schließlich. »Ich habe versucht, es zu erraten, aber auf den Namen wäre ich nie gekommen.«
»Wenn ich nicht wie eine Catherine aussehe, wie sehe ich dann aus?«
Er ließ mich keinen Moment aus den Augen. »Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Jetzt, wo ich ihn weiß, ist alles andere nicht mehr gut genug.«
Sein Blick war beinahe unangenehm. Ich spürte, dass ich rot wurde, und konzentrierte mich auf den Tee, schenkte mir eine Tasse ein, rührte langsam um, goss etwas Milch dazu und dann noch etwas mehr, bis er genau die richtige Farbe hatte.
»Also«, sagte er und holte tief Luft. »Bist du seit unserem letzten Treffen nicht mehr im River gewesen oder habe ich dich dummerweise verpasst?«
»Ich war nicht mehr da, ich hatte andere Dinge zu erledigen.«
»Verstehe. Familienangelegenheiten?«
Er versuchte eindeutig herauszufinden, ob ich Single war. »Freunde. Ich habe keine Familie mehr, meine Eltern sind gestorben, als ich noch studiert habe, ich war ihr einziges Kind.«
Er nickte. »Ziemlich hart. Meine Familie lebt in Cornwall.«
»Bist du von dort?«
»Ich stamme aus einem Dorf in der Nähe von Penzance, bin aber sobald wie möglich von dort weggezogen. Dörfer können ziemlich trostlos sein – jeder weiß über jeden Bescheid.«
Eine weitere kurze Pause entstand, die ich schließlich unterbrach. »Arbeitest du noch im River ?«
Er lächelte und trank seinen Kaffee aus. »Ja, ich arbeite noch immer im River , drei Abende die Woche. Ich springe für einen Freund ein. Gehst du nachher mit mir essen?«
Seine Frage kam wie aus dem Nichts; sein Blick verriet eine Nervosität, die seiner Stimme nicht anzuhören war.
Ich lächelte und trank meinen Tee.
»Ja, das wäre nett.«
Als ich mit seiner Visitenkarte in meiner Jackentasche aufstand, spürte ich seinen Blick, der mir bis zur Tür folgte. Als ich mich umdrehte, um ihm zuzuwinken, sah er mir immer noch hinterher. Immerhin gelang ihm ein Lächeln.
Samstag, 17. November 2007
Meine Wochenenden sind eine seltsame Mischung aus Entspannung und Stress. Manche Wochenenden sind gut, andere nicht. Bestimmte Tage sind gut. Ich kann nur an Tagen mit geradem Datum einkaufen gehen. Fällt der Dreizehnte auf ein Wochenende, darf ich gar nichts tun. An Tagen mit ungeradem Datum darf ich trainieren, aber nur, wenn es bewölkt ist oder regnet, nicht bei Sonnenschein. An Tagen mit ungeradem Datum darf ich nicht kochen, ich darf nur kalte Sachen essen oder höchstens etwas aufwärmen.
All das dient nur dazu, meine Gedanken zu beschwichtigen. Tag und Nacht sehe ich Dinge, die mir passiert sind oder mir passieren könnten. So als würde ich immer wieder denselben Horrorfilm anschauen, ohne immun gegen den Schrecken zu werden. Wenn ich alles richtig mache, die Dinge in der richtigen Reihenfolge erledige, alles ordentlich kontrolliere, den richtigen Rhythmus finde, verschwinden die Bilder eine Zeit lang. Wenn ich aus der Tür gehe und mit Bestimmtheit weiß, dass ich wirklich alles kontrolliert habe und die Wohnung sicher ist, habe ich ein paar Stunden Ruhe und spüre nur unterschwellig ein gewisses Unbehagen. So als fehlte irgendwas, das ich aber nicht definieren kann. Meist gebe ich mein Bestes und kontrolliere alles ganz genau. Wenn ich es dann tatsächlich schaffe, das Haus zu verlassen, mache ich mir den ganzen Tag darüber Gedanken, ob ich auch alles richtig gemacht habe, und stelle mir vor, was mich wohl erwartet, wenn ich nach Hause komme. Wenn ich nicht jeden Abend meinen Heimweg ändere, bin ich fest davon überzeugt, dass mir jemand folgt. Habe ich
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