Wohin du auch fliehst - Thriller
Party die ganze Nacht wach gehalten haben!, dachte ich. Auf dem Küchentisch standen drei Einkaufstüten, und er wühlte darin herum.
»Ich habe gerade Tee gekauft – er ist mir gestern selbst ausgegangen. Ich heiße übrigens Stuart, Stuart Richardson, und bin erst neulich eingezogen.«
Er streckte die Hand aus, ich schüttelte sie und schenkte ihm das strahlendste Lächeln, zu dem ich imstande war. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Cathy Bailey und wohne ein Stockwerk tiefer.«
»Hallo, Cathy«, sagte er. »Ich hab Sie gesehen, als der Makler mir die Wohnung zeigte.«
»Ja.« Gib mir einfach die Teebeutel!, dachte ich. Bitte gib mir die verdammten Teebeutel und hör auf, mich so anzusehen.
»Hören Sie«, sagte er und zögerte kurz. »Ich könnte auch einen vertragen. Setzen Sie doch den Kessel auf, während ich die Sachen hier wegräume. Wäre das in Ordnung, oder haben Sie zu tun?«
Er brachte mich in Verlegenheit, schließlich konnte ich schlecht zugeben, dass ich nichts Besseres zu tun hatte, als mir darüber Gedanken zu machen, wo ich meinen nächsten Teebeutel herbekam. Außerdem war es auf meiner Uhr bereits drei Minuten vor zehn. Wenn ich rechtzeitig Tee trinken wollte, musste ich es gleich tun.
Also tat ich es. Ich fand mehrere Tassen auf der Arbeitsplatte neben der Spüle, suchte mir zwei aus und spülte sie unter dem Wasserhahn. Milch stand im Kühlschrank. Ich ließ frisches Wasser in den Kessel und brachte es zum Kochen, machte Tee und goss tropfenweise Milch dazu, bis er genau die richtige Farbe hatte. Währenddessen verstaute Stuart seine Einkäufe und plauderte mit mir über das Wetter und darüber, wie toll es war, nur wenige Straßen von der Northern Line entfernt eine Wohnung gefunden zu haben.
Ich nahm meinen ersten warmen Schluck Tee, und zwar genau in dem Augenblick, in dem der Sekundenzeiger die Zwölf erreichte. Sofort entspannte ich mich, Erleichterung machte sich in mir breit, obwohl ich den Tee in einer fremden Wohnung mit einem Mann trank, den ich gerade erst kennengelernt und meine Wohnung nicht richtig kontrolliert hatte.
Ich stellte seine Tasse auf einen Untersetzer auf den Küchen tisch, drehte den Henkel genau im Neunzig-Grad-Winkel zur Tisch kante, was nicht gerade leicht war, weil der Tisch rund war. Ich brauchte mehrere Anläufe, bis ich zufrieden war. Er sah mich an, hob eine Augenbraue, ich lächelte breit.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich bin ein wenig – äh. Ich weiß nicht. Wahrscheinlich brauchte ich einfach dringend eine gute Tasse Tee.«
Er zuckte die Achseln und lächelte mich an. »Keine Sorge, es ist schön, zur Abwechslung mal einen Tee gekocht zu bekommen.«
Kurz saßen wir einvernehmlich schweigend am Küchentisch und nippten an unserem Tee. Dann sagte er: »Neulich habe ich abends an Ihre Tür geklopft. Aber wahrscheinlich waren Sie nicht da.«
»Ach?«, sagte ich. »Wann denn?«
Er überlegte. »Am Montag, glaube ich. So gegen halb acht, acht.«
Wohl eher gegen neun, dachte ich. Ich machte ein unbeteiligtes Gesicht. »Ich habe nichts gehört. Vielleicht war ich unter der Dusche oder so. Hoffentlich war es nicht dringend.«
»Nein, gar nicht – ich wollte nur hallo sagen, mich vorstellen und mich gleich vorab entschuldigen, falls ich Sie stören sollte, wenn ich erst nachts nach Hause komme. Manchmal muss ich bis spät arbeiten und weiß daher nie, wann genau ich wieder zurück bin.«
»Das muss ja ziemlich anstrengend sein«, sagte ich.
Er nickte. »Nach einer Weile gewöhnt man sich daran. Ich habe immer das Gefühl, dass die Treppen einen irrsinnigen Krach machen.«
»Nein«, log ich. »Wenn ich mal schlafe, höre ich gar nichts mehr.«
Er sah mich einen Augenblick an, als wüsste er genau, dass das nicht stimmt, akzeptierte die Antwort aber trotzdem.
Ich wollte etwas sagen, hielt mich dann aber zurück.
»Los, sagen Sie schon«, sagte er.
»Es geht um die Tür«, erwiderte ich.
»Die Tür?«
»Die Haustür. Ich habe immer Angst, dass sie nicht richtig ins Schloss gezogen wurde. Manchmal lassen die Leute die Tür einfach offen.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er. »Ich achte immer darauf, dass sie richtig zu ist.«
»Vor allem nachts«, sagte ich nachdrücklich.
»Ja, vor allem nachts. Ich verspreche Ihnen, stets darauf zu achten, dass sie nachts gut zugezogen ist.« Das hörte sich an wie ein feierlicher Schwur, und er sagte es, ohne zu lächeln.
Langsam atmete ich auf. »Danke«, sagte ich. Ich trank meinen
Weitere Kostenlose Bücher