Wolf unter Wölfen
Bilder!«
»Was für Bilder denn in aller Welt?!«
»Zum Beispiel Ölbilder.«
»Ölbilder … Ja, sind Sie denn Maler?«
»Ich nicht – aber ich bin der Sohn eines Malers.«
»So«, sagte der Sekretär sehr unzufrieden. »Sie verkaufen also Ölbilder Ihres Vaters. Nun, davon werden wir später sprechen. Jetzt nur noch einmal die Bestätigung: Fräulein Ledig verkauft nichts?«
»Nichts. Alles, was verkauft wird, verkaufe ich.«
»Es könnte ja auch sein«, sagte der Sekretär, und seine Gallenschmerzen plagten ihn wieder sehr – dieser junge Bengel tat gar zu überlegen. »Es könnte ja auch sein, daß Fräulein Ledig irgend etwas hinter Ihrem Rücken verkaufte – ohne daß Sie es zu wissen brauchen?«
Pagel dachte nach. Er drängte alle Unruhe, alle dunkle Befürchtung, die sich immer wieder in ihm zusammenballten, zurück. Er gab zu: »Theoretisch wäre das möglich.«
»Und praktisch –?!«
»Praktisch nicht.« Er lächelte. »Wir besitzen nämlich nicht so sehr viel, ich würde das Fehlen auch der geringsten Kleinigkeit sofort merken.«
»So … so …«, sagte der Sekretär. Er sah zurück auf den Reviervorsteher, der Vorsteher erwiderte den Blick – Pagel war es so, als ob der Schatten eines Lächelns in den Augenwinkelnder beiden auftauchte. Seine Unruhe, sein Argwohn wurden immer stärker. Der Sekretär senkte die Lider: »Und wir waren uns ja darüber einig, daß man nicht nur Sachen, Bilder, greifbare Dinge verkaufen kann, sondern – auch anderes?«
Wieder die dunkle Drohung, kaum noch versteckt. Was in aller Welt konnte Petra verkauft haben?!
»Zum Beispiel –?« fragte Wolfgang böse. »Ich kann mir nämlich keine Vorstellung machen von den ungreifbaren Dingen, die meine Freundin scheinbar verkauft haben soll!«
»Zum Beispiel …«, fing der Sekretär an und sah wieder zum Reviervorsteher hoch.
Der Reviervorsteher schloß die Augen, er bewegte dabei das traurige Gesicht einmal von rechts nach links, verneinend. Pagel sah es deutlich. Der Sekretär lächelte. Es war noch nicht ganz soweit, aber es war beinahe soweit.
»Zum Beispiel – das werden wir gleich sehen«, sagte der Sekretär. »Zuerst noch einmal zurück zu unsern Fragen. Sie geben also zu, Ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf von Bildern …«
»Meine Herren!« sagte Pagel, stand auf und stellte sich hinter seinen Stuhl. Er faßte die Lehne vor sich fest mit beiden Händen. Er sah auf diese Hände hinunter: die Knöchel traten weiß durch die gerötete Haut. »Meine Herren!« sagte er entschlossen. »Sie spielen aus irgendeinem Grunde, den ich nicht kenne, Katze und Maus mit mir. Ich mache das nicht länger mit! Wenn Fräulein Ledig, wie es scheint, irgendeine Dummheit begangen hat, so trage ich allein die Verantwortung. Ich habe mich nicht genug um sie gekümmert, ich habe ihr nie Geld gegeben, wohl nicht einmal genug zu essen. Ich stehe für alles ein. Und soweit Schaden entstanden ist, kann ich den Schaden ersetzen. Hier ist Geld …« Er riß an seinen Taschen, er warf die Pakete, eines nach dem andern, auf den Tisch. »Ich will bezahlen, was an Schaden geschehen ist, aber sagen Sie mir endlich, was geschehen ist …«
»Geld, viel Geld …«, sagte der Sekretär und sah den unsinnigen, immer höher werdenden Haufen böse an.
Der Reviervorsteher schloß die Augen, als wolle er davon wegsehen, als könne er den Anblick nicht ertragen.
»Hier sind noch zweihundertfünfzig Dollar!« rief Pagel, selber von neuem durch die Menge Geld überwältigt. Er warf den Packen als letzten auf den Tisch. »Ich kann mir keinen Schaden denken, der heute damit nicht zu bezahlen wäre. Ich will alles hergeben«, sagte er hartnäckig, »aber lassen Sie Fräulein Ledig heute abend noch frei!«
Auch er starrte auf das Geld, das eintönige Weiß oder Bräunlich der deutschen, auf die Regenbogenfarben der amerikanischen Scheine.
Durch die Tür hinein ließ der Uniformierte die Frau Thumann, die Pottmadamm. Ihre schlampige Fülle schlotterte in hängenden Gewändern. Der Rocksaum, abgetreten selbstverständlich, ging noch bis zu den Absätzen der Schuhe, in einer Zeit, da die Frauen die Röcke nicht mehr bis zum Knie trugen. Ihr graues, wabbliges, faltiges Gesicht zitterte, ihre Unterlippe hing und hatte das Innere nach außen gedreht.
»Jotte doch, det ick noch zurechtkomme, Herr Pajel! Wat bin ick jeloofen! Wat ha’ ick for eenen Schiß jehabt, Se kokeln mir die Bude noch mal an, wie Se jedroht haben! Ick wär ja ooch zeitich
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