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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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seinem Vorgesetzten, wieder in diesem albernen, vernehmlichen Flüsterton: »In seiner eigenen Sache.«
    Die treiben ja hier Schindluder mit dir, dachte Pagel erbittert. Und sofort: Aber ich lasse mich nicht reizen. Die Hauptsache ist, daß ich Petra heute abend noch herausbekomme. Und wieder: Mama hatte vielleicht doch recht, ich müßte einen Anwalt hier haben. Dann würden sich die Brüder mehr in acht nehmen.
    Er saß aufmerksam und äußerlich ruhig da. Aber in ihm war es unruhig. Seit er in jene Destille gegangen war, verließ ihn nicht mehr das Gefühl von trauriger Verzweiflung, als sei doch alles umsonst.
    »Nun zu unsern Fragen …«, hörte er den beharrlichen Sekretär wieder sagen.
    Und jetzt ging es wirklich los.
    »Sie heißen?«
    Pagel sagte es.
    »Geboren wann?«
    Pagel sagte es.
    »Wo?«
    Er sagte es.
    »Beruf?«
    Er war ohne Beruf.
    »Wohnung?«
    Pagel sagte es.
    »Haben Sie Ausweispapiere?«
    Pagel hatte sie.
    »Zeigen Sie mal her!«
    Pagel zeigte sie her.
    Der Sekretär sah sie an. Der Reviervorsteher sah sie auch an. Der Reviervorsteher zeigte dem Sekretär etwas, und derSekretär nickte. Er gab Pagel die Papiere nicht zurück, sondern legte sie vor sich auf den Tisch.
    »So«, sagte der Sekretär, lehnte sich zurück und sah Pagel an.
    »Nun zu unsern Fragen …«, sagte Pagel.
    »Wie?!« fragte der Sekretär.
    »Ich sagte: nun zu unsern Fragen …«, antwortete Pagel höflich.
    »Richtig«, sagte der Sekretär. »Nun zu unsern Fragen …«
    Es war nicht festzustellen, ob Pagels Ironie Eindruck auf die beiden Beamten gemacht hatte.
    »Ihre Mutter lebt in Berlin?«
    »Wie aus den Papieren ersichtlich«, antwortete Pagel. Und dachte: Dumm wollen sie mich machen. Oder
sie
sind dumm. Übrigens: dumm sind sie bestimmt!
    »Sie leben nicht bei Ihrer Mutter?«
    »Meine Anmeldung lautet auf die Georgenkirchstraße.«
    »Und Sie leben nicht bei Ihrer Mutter?«
    »Sondern in der Georgenkirchstraße.«
    »Wohnt es sich in der Tannenstraße nicht angenehmer?«
    »Das ist Geschmackssache.«
    »Sind Sie etwa verfeindet mit Ihrer Mutter?«
    »Kaum.« (Eine ganze Lüge wurde Pagel schwer, dafür war diese Sache nun doch nicht wichtig genug. Aber die Wahrheit zu sagen war unmöglich: die Wahrheit hätte eine nicht enden wollende Kette von Fragen heraufbeschworen.)
    »Ihre Mutter wünscht wohl nicht, daß Sie bei ihr wohnen?«
    »Ich wohne mit meiner Freundin zusammen.«
    »Und Ihre Mutter wünscht das nicht?«
    »Es ist meine Freundin.«
    »Also nicht die Ihrer Mutter? Ihre Mutter mißbilligt also die beabsichtigte Heirat?«
    Der Sekretär sah den Reviervorsteher, der Reviervorsteher den Sekretär an.
    Wie stolz sie sind, daß sie das rausgebracht haben, dachte Pagel. Aber sie sind nicht dumm. Nein, gar nicht. Ich möchtewissen, wie sie es anfangen, aber sie kriegen es raus. Ich muß besser aufpassen.
    »Ihre Mutter hat Vermögen?« fing der Sekretär wieder an.
    »Wer hat jetzt in der Inflation noch Vermögen?« fragte Pagel dagegen.
    »Dann unterstützen Sie also Ihre Mutter?« fragte der Sekretär.
    »Nein«, sagte Pagel ärgerlich.
    »Sie hat also zu leben?«
    »Sicher!«
    »Und unterstützt vielleicht Sie?«
    »Nein«, sagte Pagel wieder.
    »Sie verdienen selbst Ihren Unterhalt?«
    »Ja.«
    »Und den Ihrer Freundin?«
    »Auch.«
    »Womit?«
    Halt, halt! dachte Pagel. Die wollen mich fangen. Sie haben etwas läuten gehört. Es kann mir bestimmt nichts passieren, spielen wird nicht bestraft. Aber besser fange ich gar nicht davon an. Peter hat bestimmt nichts verraten.
    »Ich verkaufe Sachen.«
    »Was für Sachen verkaufen Sie denn?«
    »Zum Beispiel die meiner Freundin.«
    »An wen verkaufen Sie?«
    »Zum Beispiel an den Pfandleiher Feld in der Gollnowstraße.«
    »Und wenn nichts mehr zu verkaufen da ist?«
    »Es ist immer noch was da.«
    Der Beamte überlegte einen Augenblick, er sah zu dem Vorsteher auf. Der Vorsteher nickte leicht.
    Der Sekretär nahm einen Bleistift, stellte ihn auf die Spitze, betrachtete ihn nachdenklich und ließ ihn umfallen. Leichthin fragte er: »Ihre Freundin verkauft nichts?«
    »Nichts!«
    »Sie verkauft bestimmt gar nichts?«
    »Gar nichts!«
    »Es ist Ihnen bekannt, daß man auch anderes verkaufen kann als grade Sachen?«
    Was in aller Welt, dachte Pagel verblüfft, kann Peter verkauft haben, daß die so dämlich fragen?!
    Laut sagte er: »Auch ich meinte mit Sachen nicht nur Kleider und so was.«
    »Sondern zum Beispiel?«
    »Bilder.«
    »Bilder –?!«
    »Jawohl,

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