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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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waren immer die gleichen fragwürdigen Gestalten gewesen, deren Erwerb dunkel und deren Ruf noch dunkler war. Man hatte sie gefaßt, sie waren, wie sie waren, und weil sie so waren, wanderten sie ab ins Kaschott. Man hatte es nicht nötig, sich über sie zu ärgern, am Ende hatten sie stets den Ärger und den Schaden von ihrer Dieberei.
    Aber hatte es das früher gegeben, daß ein ganzes Dorf, Mann bei Mann und Haus bei Haus, Holz stehlen gegangen war? Man lief und paßte auf und ärgerte sich zu Tode, und erwischte man schließlich einen, so wurde daraus entweder eine Angst vor Rache oder eine Scham, daß solch ein Mann unter die Diebe gegangen war.
    In den Jugendtagen des Försters Kniebusch, während seiner ersten Dienstjahre in der Neuloher Forst, hatte es hier auch einen berüchtigten Wilddieb gegeben: den Müller-Thomas, der sich nachher in der Zelle des Meienburger Zuchthauses erhängte. Es hatte einen langen Krieg auf Leben und Tod mit dem Kerl gegeben; List hatte gegen List und Gewalt gegen Gewalt gekämpft, aber es war doch ein Kampf irgendwie mit gleichen Mitteln gewesen … Heute gingen sie ja gar rudelweise mit Armeepistolen und Karabinern auf die »Jagd«! Sie trieben das Wild hoch, wo sie es fanden, sie schonten kein tragendes, kein säugendes Muttertier – sie schossen auf Fasanen, ja, auf Feldhühner mit der Kugel! Wenn es ihnen noch auf die Jagd angekommen wäre wie dem Müller-Thomas oderauf den Braten zur Stillung ihres Hungers – aber sie mordeten einfach aus Mordlust, Mörder, die sie waren – Mörder und Verderber!
    Der alte Mann ist jetzt aus dem Hochwald heraus, er geht auf einer schmalen Schneise zwischen Fichtenschonungen. Die Bäumchen sind fünfzehn Jahre alt, sie hätten schon seit zwei, drei Jahren durchforstet werden müssen – aber es sind ja keine Leute zu bekommen! So ist aus den Schonungen eine unsägliche Dickung geworden, ein Gesperr und Gestachel von Zweigen, umgebrochenen Stämmen die Kreuz und Quere – selbst bei Tage kann man keine drei Meter weit hineinschauen! Jetzt im Mondlicht steht das da wie eine schwarze Wand … Wer einen Feind hat, der hier des Weges kommt, braucht sich nur hineinzusetzen in diese Dickung, er kann seinen Mann überhaupt nicht verfehlen!
    Der Förster sagt sich umsonst, daß keiner erwarten kann, ihn diese Schneise entlangkommen zu sehen; es ist ein Pirschgang ganz außer der Reihe, und wenn er seinen Mund gehalten hätte, würde es auch diesen Pirschgang nicht gegeben haben! Es kann ihm gar keiner in dem Gekuschel auflauern!
    Und doch geht er leiser. Er weiß, wo der moosige Grasstreifen läuft, auf dem sich so sachte gehen läßt, und wenn doch ein Zweiglein unter seinen Tritten knackt, so bleibt er stehen und lauscht, und sein Herz klopft. Er hat die Pfeife längst in die Tasche gesteckt, denn man kann Tabak weit riechen im Walde. Er hält den Drilling schußfertig, denn auch ein unsicherer Schuß ist besser als keiner.
    Er ist ein sehr alter Mann, er hätte sich gerne längst zur Ruhe gesetzt. Aber das hat nicht sein können, nun muß er nachts zwischen den Fichtenschonungen laufen, weil ein dummes junges Mädel nicht auf ihr Herz und ihre Briefe passen kann. Es ist ein ganz unsinniger Weg, er bekommt den Bock doch nicht vor die Büchse. Und bekommt er ihn vor die Büchse, trifft er ihn nicht. Und legt er ihn doch auf die Decke, ist es auch egal – die gnädige Frau nicht, der Herr Rittmeister nicht, keines würde sich darüber gewundert haben,wenn das Fräulein Violet erzählt hätte: ihr Pirschgang war umsonst. Siehst du wohl! würde der Rittmeister höchstens gesagt haben. Wärest du schlauer im Bett geblieben, Weio! Und würde sie nur ein bißchen ausgelacht haben.
    Aber nein, daran dachten sie nicht. Sie schickten ihn wirklich los auf diesen Bock, er mußte laufen, während die drei die Geschichte mit dem verfluchten Kerl, dem Inspektor Meier, in Ordnung brachten! Wem verdankten sie denn all ihre Wissenschaft? Doch nur ihm allein! Wer hatte diesen pampigen, windigen Leutnant beim Schulzen Haase herausgeholt? Doch nur er allein! Und da sagte dieser junge Schnösel ganz hochnäsig: »Sie können wir hier nicht brauchen, Kniebusch. Sie gehen und schießen den Bock! Aber daß Sie mir hier nicht zwischen den Büschen Eselsohren machen! Ich fahre mit Ihnen Schlitten, Herr!«
    Fräulein Violet hatte dabeigestanden, sie hatte jedes Wort dieser hochfahrenden Rede gehört. Es hätte ihr wohl angestanden, ein bißchen dankbar zu sein, aber nein,

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