Wolf unter Wölfen
dessen Kühlheit es ab und an, immer überraschend, wie verzehrendes Feuer brach – dieser Leutnant schien ihr der Inbegriff aller Männlichkeit, wortlosen Heldentums …
Er war völlig anders als alle Männer, die sie je kennengelernt hatte. Wenn er auch Offizier war, so ähnelte er doch in keiner Weise den Offizieren der Reichswehr, die sie auf den Bällen in Ostade und Frankfurt zum Tanz aufgefordert hatten. Immer hatten sie sie mit äußerster Höflichkeit behandelt, stets war sie das »gnädige Fräulein« gewesen, mit dem ernst und unverbindlich von Jagd, Pferden und allenfalls noch von der Ernte geplaudert wurde.
Beim Leutnant Fritz hatte sie nichts von Höflichkeit zu spüren bekommen. Er war durch den Wald mit ihr gebummelt, darauflosschwatzend, als sei sie irgendein Mädel; er hatte ihren Arm genommen und sie untergefaßt, und hatte ihn wieder losgelassen, als sei dies keine Gunst gewesen. Er hatte ihr sein verbeultes Zigarettenetui mit einem gleichgültigen »bitte« hingereicht, als verstehe sich das streng verbotene Rauchen von selbst, und dann hatte er sie beim Anbrennen der Zigarette beim Kopf genommen und abgeküßt – ganz so, als gehöre das dazu … »Stell dich bloß nicht an!« hatte er gelacht. »Mädels, die sich anstellen, finde ich einfach widerlich!«
Sie wollte nicht, daß er sie »einfach widerlich« fand.
Man kann einen jungen Menschen vor Gefahren warnen und vielleicht sogar vor ihnen beschützen – aber wie ist es mit den Gefahren, die wie der liebe Alltag, wie die selbstverständlichste Sache von der Welt, die gar nicht wie Gefahren aussehen –?! Violet hatte beim Leutnant Fritz nie so recht das Gefühl, etwas wirklich Verbotenes zu tun, ernstlich in Gefahr zu sein. Damals, als es geschah und doch etwas wie ein instinktives Wehren, ein panischer Schrecken sie überkommen wollten, hatte er so ehrlich empört gesagt: »Ich bitte dich, Violet, mach bloß keine Geschichten! Ich kann diese alberne, gänsische Anstellerei auf den Tod nicht ausstehen! Glaubst du, irgendeinem Mädchen geht es anders?! Dazu bist du doch da auf der Welt! Also bitte –!«
Dazu
bin ich da?! – hätte sie fragen mögen, aber dann wußte sie, sie war bloß dumm. Sie hätte sich geschämt, nicht zu tun, was er wollte. Grade, weil er so wenig Wert auf sie legte, weil seine Besuche so unregelmäßig und kurz waren, grade, weil all seine Versprechungen so unzuverlässig waren (»Ich wollte Freitag hier sein? Sei bloß nicht albern, Violet, ich habe doch wahrhaftig noch an anderes zu denken als an dich!«), grade, weil er nie höflich zu ihr war, grade darum war sie ihm fast ohne Widerstand verfallen.
Er war so anders. Geheimnis und Abenteuer umwitterten ihn. All seine Fehler wurden ihr zu Vorzügen, weil die andern sie nicht besaßen. Seine Kälte, seine plötzliche Gier, die ebenso rasch erlosch, seine unverbindlichen Formen, die nur auf der Haut saßen, sein völliger Mangel an Achtung vor irgend etwas auf der Welt – für sie war das alles Sachlichkeit, wahnsinnige Liebe, Männlichkeit!
Was er tat, war richtig. Dieser windige Bursche, der mit einem unverbindlichen Auftrag, das Landvolk für alle Fälle zu mobilisieren, im Lande herumfuhr, dieser kalte Abenteurer, dem es nicht um das Ziel des Kampfes ging, sondern nur um den Kampf, dieser Landsknecht, der für gleichviel welche Partei gekämpft hätte, wenn es nur Unruhe gab – denn er liebtedie Unruhe und haßte die Ruhe, in der er sofort leer dasaß, ausgehöhlt, nicht mehr wußte, was mit sich anfangen –, dieser schneidige Hans in allen Gassen, er war
der Held
!
Und er hätte eine Welt in Brand stecken können – er blieb der Held für sie!
Wie er jetzt, die Taschenlampe in der Hand, ihre leicht bebenden Finger um den Oberarm, das zerwühlte Bett anleuchtet mit dem nackten Mann darauf, wie er gleichgültig zu ihr sagt: »Sieh besser weg, Violet!« und eine Decke über den Nackten zieht; wie er knurrt: »Schwein!« und sie dann auf einen Stuhl neben dem Bett hinsitzen heißt: »Paß auf, ob er wach wird! Ich seh schnell mal seine Sachen durch!« – diese Kameraderei, die Lumperei ist, die Rücksichtslosigkeit, Mangel an Achtung, Roheit kaum verbirgt – alles findet sie herrlich!
Sie sitzt auf ihrem Stuhl, es ist fast völlig dunkel, der Mond dringt kaum durch die graugelben Gardinen. Der im Bett röchelt, schnarcht, stöhnt, sie kann ihn nicht sehen, aber nun wirft er sich hin und her, als spüre er im Schlaf die Feinde. Der hinter ihr
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