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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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den alten Förster Kniebusch weicher Sand genug dalag, seine alten Knochen zu schonen, hatte auf den Radler ein kräftiger Steinbrocken gewartet: er schlug erst mit der Schulter dagegen, was ihm einen kräftigen Fluch entlockte, trotzdem er noch gar nicht wußte, daß sein Schlüsselbein in diesem Augenblick brach. Dann schrammte er mit seiner Backe auf der recht körnigen Außenseite des Steines entlang. Die Haut ging davon ab, und das rohe Fleisch brannte wie Feuer. Aber das spürte der gestürzte Radler kaum noch, denn unterdes hatte seine Schläfe mit einer vorspringenden scharfkantigenSteinwulst Bekanntschaft geschlossen – und eine Schläfe ist genauso empfindlich wie der Schlaf: von rauhen Störungen sind beide leicht verletzt. Der Radler sagte noch einmal, schon ganz geistesabwesend: »Uch«, und ward nicht mehr gehört.
    Der brave Förster Kniebusch saß im Sand und rieb sich sein Dickbein, das die Hauptsache von dem Zusammenprall abbekommen hatte. Er hätte gerne gesehen, daß der andere auf sein Rad gestiegen und weitergefahren wäre, er, der Kniebusch, hätte keinen Einspruch erhoben und keine Fragen gestellt, so stahlhart war sein Entschluß, sich nicht mehr einzumengen.
    Er spähte in der Dunkelheit nach dem andern. Da es aber in der Schlucht zwischen den Tannen viel zu dunkel war, überhaupt irgend etwas zu sehen (nur einer, der den Wald wie seine Tasche kannte, durfte es wagen, diesen pechrabenschwarzen Hohlweg hinunterzuradeln!), so bildete sich der Förster allmählich ein, er sähe was. Was er aber zu sehen meinte, war eine dunkle Gestalt, die ebenso wie er im Sande saß und sich den Leib rieb.
    Der Förster Kniebusch saß also still und spähte. Er war jetzt ganz sicher, daß der andere auch saß und spähte, daß der andere auch saß und nur auf sein Fortgehen wartete. Zuerst war der Förster unentschlossen, dann aber überlegte er sich den Fall und erkannte: der andere hatte recht. Er als die Behörde gewissermaßen mußte zuerst gehen und dadurch zum Ausdruck bringen, daß er auf die Verfolgung des Falles verzichtete.
    Langsam, leise und vorsichtig stand der Förster auf, immer den schwarzen Fleck genau im Auge behaltend. Er machte ein Schrittchen, noch ein Schrittchen – doch beim dritten Schrittchen kam er ein zweites Mal zu Fall, und natürlich gerade über den Mann, von dem er fortging. Der schwarze Fleck war gar nichts gewesen; direkt neben seine allerneueste Neuigkeit setzte sich der Förster, ja teilweise sogar darauf!
    Er wäre gerne gleich wieder hochgefahren und losgelaufen, aber er hatte sich in den Rahmen des gestürzten Fahrrades gesetzt, und das hatte mit Kleidern, Pedalen, Kette, Büchsenriemen und Satteltasche einige Verwirrung gegeben, ganz abgesehen von dem Schmerz, den das hastige Niedersitzen auf die dünnen Stahlstangen und zackigen Pedale hervorgerufen hatte.
    So saß der Förster da, recht durcheinandergeschüttelt, körperlich wie seelisch, und wenn er zuerst noch gedacht hatte: Ich muß weg!, so konnte er doch allmählich nicht umhin, zu bemerken, daß der Leib, auf dem sein Arm lag, etwas regungsloser war, als er bei einem bewußten, wartenden Menschen gewesen wäre.
    Es dauerte noch eine ganze Weile, bis der stahlharte Entschluß anderen Entschlüssen Platz machte. Aber schließlich brachte es Kniebusch doch über sich, seine elektrische Taschenlampe einzuschalten. Als das aber erst einmal geschehen und der Lichtkegel auf das bleiche, einseitig geschundene Gesicht des Bewußtlosen gefallen war, da ging es schon rascher, und von der Erkenntnis, daß dies der berüchtigte Schubbejack Bäumer aus Altlohe war, wehrlos wie ein Lamm in seine Hände gegeben, bis zu dem Entschluß, diesen elenden Raufbold und Wilddieb ins Kittchen zu bringen, war nur ein Schritt.
    Während der Förster mit Stricken und Riemen aus dem Bäumer ein Paket machte, wie es besser und sicherer keine Packerin eines Warenhauses schnüren kann, dachte er darüber nach, daß er mit dieser »Verhaftung« nicht nur beim alten Geheimrat und jungen Rittmeister großen Ruhm ernten würde. Weil nämlich der Bäumer ein Erzlump, ein Rädelsführer, ein Oberdieb, ein Wilderer und völlig ein Pfahl in jedem Besitzerfleische war – was alles der Sechserbock in seinem Rucksack und der Karabiner am Fahrrad klar bewies! Aber viel wichtiger als dieser Ruhm war dem alten Kniebusch doch, daß er auf diese risikolose Art seinen gefährlichsten Feind für lange Zeit aus dem Wege räumte, der ihmschon oft Prügel

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