Wolf unter Wölfen
schlimmer Feind. Also ist es schon besser, ihm auf halbem Wege entgegenzukommen – dann ist die Sache wenigstens erledigt und vorbei. Er sagt und versucht, es so leicht wie nur möglich zu sagen: »Ich bin ein bißchen in der Klemme, Zecke. Könntest du mir mit ein wenig Geld aushelfen?«
»Was nennst du ein wenig Geld?« fragt Zecke und betrachtet sich seinen Pagel.
»Nun, wirklich nicht viel, eine Kleinigkeit für dich«, sagt Pagel. »Was meinst du zu hundert Millionen?«
»Hundert Millionen«, sagt Zecke träumerisch. »So viel habe ich an den ganzen Varieténutten nicht verdient …«
Dritter Schlag, und diesmal scheint es Knockout gewesen zu sein. Aber so leicht läßt sich Wolfgang Pagel nicht niederschlagen. Er fängt an zu lachen, ganz herzhaft und unbekümmert zu lachen. Dann sagt er: »Recht hast du, Zecke! Großartig! Und ich bin das Kamel. Quatsche große Töne, und will mir doch Geld von dir pumpen. Werde pampig. Aber weißt du, irgendwie hat es mich gleich geärgert, wie ich hier reinkam … Ich weiß nicht, ob du das verstehst … Ich hause da in so ’ner Höhle am Alex …« Zecke nickt, als wisse er es. »… habe gar nichts … und dann hier so rin in die Pracht! Gar nicht wie bei Neureichs und Raffkes, wirklich schön – und ich glaube auch nicht einmal, daß der Arm ergänzt ist …«
Er bricht ab und sieht prüfend auf Zecke. Mehr kann er nicht tun, mehr bringt er einfach nicht über sich. Aber als sich Zecke auch jetzt nicht rührt, sagt er: »Na schön, gib mir auch kein Geld, Zecke. Verdient habe ich das, blöd, wie ich war.«
»Ich sage ja nicht nein«, erklärt Zecke. »Ich möchte bloß mal so hören. Geld ist Geld, und du willst es doch nicht geschenkt –?«
»Nein, sobald ich kann, kriegst du es wieder.«
»Und wann kannst du?«
»Unter Umständen, wenn es gut geht, schon morgen.«
»So«, sagt Zecke, nicht sonderlich begeistert. »So. – Na, trinken wir noch einen Schnabus. – Und wozu brauchst du das Geld –?«
»Ach«, sagt Pagel, wird verlegen und fängt an, sich zu ärgern. »Ich habe da so ein paar Schulden bei meiner Wirtin, Kleinigkeiten eigentlich – weißt du, hundert Millionen klingt gewaltig viel, aber am Ende ist es doch nicht viel mehr als hundert Dollar, nichts so Überragendes …«
»Also Schulden bei der Wirtin«, sagt Zecke ganz ungerührtund sieht den Freund aus dunklen Augen aufmerksam an. »Und was sonst noch?«
»Ja«, sagt Pagel verdrießlich, »ich habe auch noch was versetzt beim Onkel …«
Im gleichen Augenblick fällt ihm ein, daß dies nun wirklich nicht wahr ist. Aber er hat im Moment nicht daran gedacht, daß verkauft nicht versetzt ist, und so läßt er es dabei. Es kommt ja wirklich nicht so genau darauf an …
»So, versetzt beim Onkel«, sagt von Zecke und sieht weiter dunkel und prüfend aus. »Weißt du, Pagel«, sagt er dann, »ich muß dich noch was fragen – entschuldige bitte. Geld ist ja schließlich Geld, und selbst sehr wenig Geld (hundert Dollar zum Beispiel) ist für manchen sehr viel Geld – zum Beispiel für dich.«
Pagel hat beschlossen, diese Stiche nicht mehr zu beachten, schließlich ist ja die Hauptsache, daß er sein Geld bekommt. Er sagt mürrisch: »Also frag schon.«
»Und was tust du?« fragt Zecke. »Ich meine, wovon lebst du? Hast du ’ne Stellung, die dir was einbringt? Vertreter gegen Provision? Angestellter mit Gehalt?«
»Im Moment habe ich nichts«, sagt Pagel. »Aber ich kann jeden Augenblick als Taxichauffeur eintreten.«
»Ja so, dann natürlich!« sagt Zecke und scheint ganz befriedigt. »Wenn du noch einen Schnabus magst, bitte! Ich habe für den Vormittag genug. – Also Taxichauffeur …«, fängt er wieder an zu bohren, dieses Aas, dieser Schieber, dieser Menschenschinder, dieser Verbrecher. (Sand statt Salvarsan!) »Taxichauffeur – sicher ein schönes Brot, auskömmlicher Verdienst …« (Wie er höhnt, dieser bösartige Affe!) »… aber doch sicher nicht so auskömmlich, daß du mir morgen mein Geld zurückgeben könntest. Du erinnerst dich doch, du sagtest, wenn es gut geht, schon morgen?! So gut geht Taxifahren doch nicht?«
»Mein lieber Zecke«, sagt Wolfgang und steht auf. »Du möchtest mich ein bißchen quälen, was? Aber so wichtig ist mir das Geld nun doch wieder nicht –«
Er zittert beinahe vor Zorn.
»Aber Pagel –!« ruft Zecke und ist ganz erschrocken. »Ich dich quälen –?! Wie komme ich denn dazu? Sieh mal, du hast mich doch ausdrücklich nicht um ein
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