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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Frau wollte es nicht hören, sie starrte über den Tisch nach dem leeren Platz hinüber. »Decken Sie bloß ab, Minna!« rief sie. »Ich kann das Zeugs nicht mehr sehen. Ich esse hier Täubchen – und er hat geheiratet!« Das Schluchzen kam wieder. »Ach, Minna, was tun wir bloß?! Ich kann doch hier nicht weiter sitzen, in meinen Zimmern, als sei nichts geschehen! Wir müssen doch irgend etwas tun!«
    »Wenn wir einmal hingingen?« fragte Minna vorsichtig.
    »Hingehen? Wir? Und er kommt nicht zu uns?! Und er schreibt mir nicht einmal, daß er heiratet? Nein, das ist ganz unmöglich!«
    »Man muß ja nicht tun, als wenn man etwas wüßte!«
    »Ich den Wolf belügen –?! Nein, Minna, damit fange ich nun nicht mehr an! Es ist schon schlimm genug, daß ich merke, ihm kommt es nicht darauf an, mich zu belügen – nein!«
    »Und wenn ich nun allein hinginge?« fragt Minna wieder behutsam. »Mich sind sie gewöhnt, und mit ein bißchen Schwindeln nehme ich es auch nicht so genau!«
    »Schlimm genug, Minna«, sagt Frau Pagel scharf. Sehr häßlich von Ihnen! – Nun, ich lege mich jetzt ein wenig hin, ich habe gräßliche Kopfschmerzen. Bringen Sie mir doch noch ein Glas Wasser für die Tabletten.«
    Und sie ging in das Zimmer ihres Mannes. Eine Weile stand sie still vor dem Bilde der jungen Frau, sie dachte vielleicht: So wie ich den Edmund, kann sie ihn nie lieben. Sie können auch wieder auseinandergehen, sehr, sehr rasch.
    Sie hört Minna drüben beim Abräumen hin und her gehen, sie überlegt ärgerlich: Sie ist ein alter Querkopf. Siesollte mir doch ein Glas Wasser bringen, nein, sie muß erst abräumen. Ich denke gar nicht daran, ihr den Willen zu tun. Übermorgen hat sie ihren freien Nachmittag, da kann sie machen, was sie will. Geht sie heute, merkt das junge Ding gleich, sie kommt nur darum. Man weiß doch, wie berechnend diese jungen Mädchen sind! Wolf ist ein Schaf, das werde ich ihm auch sagen. Er denkt, sie nimmt ihn seinetwegen. Aber sie hat die Wohnung und die Bilder gesehen, über die Preise weiß sie natürlich längst Bescheid. Auch, daß dies Bild eigentlich ihm gehört. Komisch, daß er es noch nie von mir verlangt hat, aber so ist Wolf eben, nie berechnend …
    Sie hört die Wasserleitung in der Küche laufen. Minna will ihr wohl recht kaltes Wasser bringen. Rasch geht sie zum Sofa und legt sich hin. Sie zieht eine Decke über sich.
    »Das Wasser hätten Sie mir auch schon vor fünf Minuten bringen können, Minna! Sie wissen doch, ich liege hier mit meinen gräßlichen Kopfschmerzen …«
    Sie sieht Minna böse an. Aber Minna hat ihr altes, faltiges Holzgesicht, ihr ist nichts anzusehen, wenn sie nicht will.
    »Also dann gut, Minna! Und seien Sie recht leise in der Küche – ich will ein bißchen schlafen. Wenn Sie alles abgewaschen haben, können Sie gehen. Nehmen Sie heute Ihren freien Nachmittag. Das Fensterputzen lassen Sie für morgen, Sie können sich doch nicht zusammennehmen und leise sein! Sie rumpeln dann immer so mit den Eimern, dann wird doch nichts aus meinem Schlaf. Also adieu, Minna.«
    »Adieu, gnädige Frau«, sagt Minna und geht. Sie macht die Tür sehr sachte, gar nicht rumpelig zu.
    Dämliches Frauenzimmer! denkt Frau Pagel. Wie sie mich bloß wieder angestarrt hat – wie ’ne alte Eule! Ich will aufpassen, wenn sie geht. Dann laufe ich rasch zu Betty. Vielleicht war sie auf dem Standesamt oder hat jemanden geschickt – keiner ist neugieriger als Betty. Und ich bin noch vor Minna wieder zurück – alles braucht sie nun auch nicht zu wissen!
    Frau Pagel sieht noch einmal das Bild an der Wand an. Die Frau im Fenster sieht von ihr fort. Von hier aus gesehen,schieben sich die dunklen Schatten hinter dem Frauenkopf auseinander, lichten sich auf – es sieht beinahe so aus, als nähere ein Männerkopf seinen Mund dem Frauennacken. Frau Pagel hat es schon oft gesehen, diesmal ärgert es sie.
    Diese verdammte Sinnlichkeit! denkt sie. Alles verdirbt sie den jungen Leuten. Ewig fallen sie darauf rein.
    Dann überlegt sie, daß nun, wo die beiden geheiratet haben, das Bild der jungen Frau eigentlich zur Hälfte mitgehört. So ist das doch?
    Aber sie soll mir nur kommen! Sie soll nur kommen! Einen Backs hat sie schon weg – aber ich habe noch mehr …
    Fast lächelnd dreht sie sich um und ist in einer Minute eingeschlafen.

VIERTES KAPITEL
Nachmittagsschwüle über Stadt und Land

1
    »Hören Sie zu«, sagte Direktor Doktor Klotzsche zu dem Reporter Kastner, der ausgerechnet heute auf

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