Wolf unter Wölfen
Eene, die mir nur mit Jieroojen die Schnecken ins Maul kiekt und de Kaffeeschlucker zählt. So eene wie …«
»Feste, feste!« freute sich die Thumann.
»Und überhaupt! Is det denn ’ne Sache für ’n anständijet Mächen, det se in so ’ne bedrängte Laje hochnäsig in ’ne fremde Küche kommt und fracht wie Jräfin Hochkotz: Hamm Se wat for mir zu tun?! Wer nischt hat, muß betteln jehn, det hat mein Vata mir schon mit ’em Scheit auf ’en Buckel jeschrieben, und hätten Se jesacht: ›Ida, ick schiebe Kohldampf, jib mir ’ne Schnecke‹, du hättst längst eene jehabt! Und überhaupt, Frau Thumann! Ick zahle Sie einen Doller täglich für Ihren Wanzenstall und nich mal Nachtlicht uff de Treppe, wo die Herren imma üba meckern – da hamm Se jar nischt zu lachen und zu schreien: ›Den haste wech, Mächen!‹ Da hamm Se mir jefälligst in Schutz zu nehmen, und wenn so eene keß wird, die janz for umsonst mit ihrem Louis schläft, zum Vajniejen, und de Thumann kann ja sehn, wo se de Pinke herkriegt, wir arbeeten nich, wir jehn doch nich uff den Strich und schaffen nich an – dafor sind wir doch zu fein –, nee, Thumann, ich muß mir doch sehr über Sie wundern, und wenn Se det freche Aas, det mir vorwirft, det ick nich imma Jlück mit die Herren habe, wenn Se die nich uff de Stelle rausschmeißen – denn zieh ick!«
Die rassige Ida stand zornrot da, eine Schnecke hatte sie noch in der Hand, hochrot war sie, und immer röter wurde sie noch, je mehr ihr klar wurde, wie schwer sie beleidigt worden war. Die Thumannsche und Petra sahen ganz fassungslos auf diesen Sturm, der entstanden war, kein Mensch wußte, woher und warum. (Und die rassige Ida, hätte sie nur nachdenken können, war sicher über den Schluß ihrer Rede genauso überrascht wie die beiden andern.)
Petra wäre ja am liebsten aufgestanden und in ihr Zimmer geschlüpft, hätte abgeschlossen und sich aufs Bett geworfen – oh, das gute Bett! Aber es wurde ihr immer schwächer undschwächer, es brauste manchmal in ihren Ohren, und vor ihren Augen drehte es sich, dann sprach die zornige Stimme ganz ferne. Aber plötzlich kam sie wieder nahe, sie schrie direkt in ihre Ohren, und vor ihren Augen drehte es sich von neuem. Dann lief Feuer über ihren Nacken, den Rücken hinab, schwächender Schweiß brach aus … Wenn sie es genauer rechnete, hatte sie ja lange Tage nichts Rechtes mehr gegessen; immer nur, wenn Wolf grade Geld hatte, eine Bockwurst mit Salat oder Schrippen und Leberwurst auf der Bettkante. Und seit gestern früh überhaupt nichts mehr, wo es so darauf ankam, daß sie sich gut nährte –! Sie mußte versuchen, schnell in ihr Zimmer zu kommen, und dann abschließen, vor allem fest zuschließen; selbst wenn sie mit Polizei anklopften, nicht öffnen; erst wieder aufmachen, wenn Wolfgang kam …
»Jotte doch!« hörte sie ganz in der Ferne die Thumann jammern, »wat machste mir doch for Stunk mit deine freche Schnauze, Mächen! Solche, die nischt haben, müssen andern ooch nicht det Brot vom Tische quasseln, und de Ida is eene prima Dame, die jeden Tach mit ihrem Doller kommt – so eener haste gar nischt vorzuwerfen, vastanden?! Und nu mach, daß de aus meine Küche kommst, und een bißken dalli, sonst wackelt was …«
»Nee!« schrie die Ida unerträglich scharf. »Det jilt nich, Thumann! Entweder jeht die oder entweder ick! Beleidijen lasse ick mir nich von so einer – raus mit ihr aus de Wohnung, oder ick ziehe noch diese Minute …«
»Aber, Mächen, Ida, Herzenskindting!« jammerte die Thumann. »Du siehst doch, wie se is: Spucke an ’ne Kalkwand, und nischt uff ’en Leib und nischt im Leib – so kann ick se doch nich türmen lassen …«
»Können Se nich, Thumann? Nee, det können Se nich? So – det wollen wir sehen – da können Se mir jleich in Ihre Entreetüre sehen, Frau Thumann –!«
»Mächen, Ida«, bat die Thumann, »warte doch bloß, bis ihr Kerl wiedakommt, tu mir die Liebe! – Dann sollen se ooch jleich beide dieselbe Minute noch jehn müssen! – Machedoch, dat de ihr aus de Ojen kommst, du dußlije Jans du!« flüsterte sie aufgeregt zu Petra. »Wenn se dir bloß nich mehr sieht, wird se schon ruhich!«
»Ich gehe ja schon«, flüsterte Petra und stand auf. Plötzlich konnte sie stehen, und sie sah auch gut das schwarze Loch der offenstehenden Küchentür in den dunklen Flur hinein, aber die Gesichter der Frauen sah sie nicht. Sie ging langsam, die sagten noch etwas, immer schneller, immer lauter,
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