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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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doch gewöhnt war, mit Milliarden und Billionen zu rechnen!
    Es kamen auch wieder Münzen in den Verkehr, richtige Geldmünzen. Man sollte nicht nur mit Mark rechnen, nein, auch mit Groschen, nein, auch mit Pfennigen – es war toll! Es gab Männer, die bauten, wenn sie ihren Lohn bekommen hatten, Türmchen aus dem neuen Geld, sie spielten damit. Es war ihnen, als seien sie aus einer wilden, verdorbenen Zeit noch einmal in das Kinderland zurückgekehrt, aus dem schrecklich Verwickelten in das Einfache, Schlichte, wo die Dinge nur erst ein Gesicht haben.
    Und es war seltsam, es ging ein Zauber von diesen niedrigen Zahlen, von den Münzen und den kleinen Scheinen aus. Die Menschen besannen sich – sie fingen an zu rechnen, und plötzlich ging es auf, es stimmte! Das und das verdiene ichdie Woche, soundso viel kann ich also ausgeben – siehe da, es stimmte! Die Menschen hatten durch Jahre gerechnet – und es hatte nie gestimmt! Sie hatten sich von Sinn und Verstand gerechnet, in den Taschen der Verhungerten hatte man Tausendmarkscheine gefunden, der ärmste Stromer auf der Landstraße war Millionär gewesen …
    Und nun erwachten sie alle. Sie erwachten aus einem wüsten, schweren, quälenden Traum. Sie standen still, und sie sahen sich um. Jawohl, sie konnten stillestehen, um sich sehen, sich besinnen. Das Geld lief ihnen nicht weg, die Zeit lief ihnen nicht weg, das Leben blieb bei ihnen. Erschrocken sahen sie einander in die vertrauten, ach so fremden Gesichter. Warst du das? fragten sie zögernd. War ich das? – Es war so nahe, und doch fing es schon an, ihnen zu zergehen wie ein Nebel, ein Fiebertraum, ein Dunst …
    Sie schüttelten es ab. Nein, das war nicht ich, sagten sie. Mit neuem Mut gingen sie an ihr Werk, es hatte wieder einen Sinn, zu arbeiten, zu leben.
    Oh, es war doch alles sehr, sehr anders geworden!

2
    Ein Mann verläßt das Universitätsgebäude, er geht über den Vorhof, er tritt auf die Linden hinaus.
    Die Straße Unter den Linden liegt in voller Sonne.
    Der Mann blinzelt ein wenig im Licht, zögernd betrachtet er einen Autobus. Der Autobus würde den Studenten rasch nach Haus fahren zu Weib und Kind. Aber er besinnt sich anders. Er rüttelt ein wenig die Aktentasche, die er am Griff trägt. Mit einem ruhigen und doch fördernden Schritt geht er die Linden hinunter, dem Brandenburger Tor zu, dem Tiergarten zu.
    Er war all sein Lebtage ein Stadtmensch, dann war er eine kurze Zeit ein Landmensch, nun ist er wieder ein Städter geworden. Aber von seiner kurzen Landzeit ist ihm ein Bedürfnisnach ruhigen, weiten, einsamen Wegen geblieben. Sie erinnern ihn an die Zeit, da er auf den Feldern herumsauste, die Leute kontrollierte. Heute kontrolliert er auf solchen Wegen die eigenen Gedanken, die eigenen Arbeiten, seine Beziehungen zur Umwelt. Er hat ein nachdenkliches, freundliches Gesicht. Er geht gerade und ruhig, aber seine Augen sind hell geblieben, es ist Licht darin. Sie sind noch ganz jung …
    Als die schlimme Zeit war, schien ihm das höchst Erreichbare ein Antiquitätengeschäft oder ein Bilderhandel. Als er dann aber mit seiner Mutter von diesen Dingen sprach, meinte er: »Wenn du es könntest, Mama, würde ich am liebsten Arzt werden. Psychiater. Seelenarzt. Einmal wollte ich Offizier werden, und dann sah es aus, als würde ich gar nichts werden, ein Spieler, verblasen, hohl. Später hat mir die Landwirtschaft viel Freude gemacht, aber was ich gerne sein möchte, das ist: ein wirklicher Arzt.«
    »Ach, Wolfi«, sagte sie ganz erschrocken. »Grade das längste Studium!«
    »Ja, freilich«, lächelte er. »Wenn mein Sohn in die Schule kommt, lerne ich immer noch. Es dauert ein wenig lange, bis sein Vater etwas ist und Geld verdient. Aber, Mama, ich habe immer gerne darüber nachgedacht, wie es in ihnen aussieht und warum sie dies und das tun. Ich bin glücklich, wenn ich ihnen helfen kann …«
    Er sah vor sich hin.
    »Halt, Wolfi!« rief die Mutter. »Nun denkst du wieder an Neulohe!«
    »Warum soll ich es nicht?« lächelte er. »Meinst du, es tut mir weh? Ich war ja viel zu jung! Um den Menschen wirklich helfen zu können, muß man viel wissen, viel erfahren haben – und man muß nicht weich sein. Ich war viel zu weich!«
    »Sie haben schändlich an dir gehandelt!« Und sie schlug mit dem Knöchel hart auf den Tisch: Tamtata! Tamtata! Ratatam! Ratatam!
    »Sie haben gehandelt, wie sie waren. Die Schändlichenschändlich und die Guten gut. Die Weichen aber zu weich. – Also, Mama, es

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