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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Weinende an. Sie haben schon früher alles versucht, sie haben ihr Blumen gegeben und Konfekt geschenkt, sie haben Witze gemacht, eine hat gegackert wie ein Huhn, die andere hat mit der Schneiderpuppe getanzt – aber nichts half.
    Nun kommt die gnädige Frau herein. Sie ist gerufen worden, sie hat ihre beste Kundin im Laden stehengelassen, sie kommt eilig … Sie ist nicht mehr hart, sie hat auch Zeit, sie nimmt ihr großes Kind in den Arm, sie legt ihr die Hand über die Augen: »Nicht weinen, Violet, du sollst fröhlich sein.«
    Allmählich beruhigt sich die Kranke in der mütterlichen Wärme, sie lächelt, wieder sieht sie den Mädchen zu. Frau von Prackwitz geht zurück in den Laden …
    Die Mädchen in der Schneiderstube, vorn im Geschäft sind Berlinerinnen. Sie haben ein rasches Mundwerk, sie reden oft hart von der harten Frau, die sie quält … Aber immer ist dann eine, die sagt: »Aber, Gott, was hat die Frau auch zu tragen! – Der Mann
und
die Tochter! Wir wären sicher auch nicht anders …«
    Nein, das wären wir nicht. Violet ist jetzt sechzehn, sie hat ein langes Leben vor sich …
    »Ja«, sagen die Ärzte, »man kann es ja nicht wissen. Hoffen und warten – es ist nicht unmöglich, gnädige Frau.«
    Sie hofft und sie harrt. Und sie baut vor, sie spart. Alles,was an Weichheit und Güte in ihr sitzt, bekommt allein die Tochter zu spüren. Den Mann sieht sie kaum noch, er ist da, aber er ist doch nicht da. Denkt sie manchmal an einen gewissen Herrn von Studmann? – Wie fern – wie töricht!
    Es ist schon einmal geschehen, daß sie einem Herrn Pagel auf der Straße begegnete. Sie sah ihm kalt ins Auge, sie grüßte ihn nicht, sie sah durch ihn hindurch. Soweit war sie nun doch die Tochter ihres Vaters, um diesen Burschen endlich zu durchschauen. Er hatte sich Vollmachten von ihr erschlichen, er hatte diese Vollmachten mißbraucht, große Summen hatte er in die eigene Tasche fließen lassen. Es gab Abrechnungen ihres Vaters über den Wert der Dinge, die dieser junge Mann verkauft hatte, es gab Aufstellungen über die Beträge, die er an sie abgeführt hatte – enorme Differenzen! Die ihrem Erbteil belastet worden waren!
    Jawohl, sie erinnerte sich auch daran, sie erinnerte sich gut: Dieser Pagel besaß noch einen Schuldschein von ihr, lautend auf zweitausend Mark. Er sollte ihn behalten, sie würde ihn nie einlösen – ein kleiner Denkzettel für all die Schlechtigkeit, die er ihr angetan!
    Er war so jung erschienen, so liebenswürdig, so anständig – aller Jugend, aller Liebenswürdigkeit, jedem Anstand mußte man mißtrauen. Alle betrogen einander – sie würde heute abend wieder einmal die Kasse revidieren – Fräulein Degelow trug nur noch neue Seidenstrümpfe. Sie konnte einen Freund haben, sie konnte aber auch in die Kasse greifen – hab acht!

5
    »Kommen Sie rein, junger Mann. Kommen Sie rein in die gute Stube. – Natürlich ist sie da! Wieso soll sie nicht dasein?!« rief Frau Krupaß mit lauter, fröhlicher Stimme. Aber leise flüsterte sie: »Seien Sie heute ein bißchen nett mit ihr, sie hat’s heute früh amtlich bekommen, daß ihr Verflossener tot ist …«
    »Is er das endlich wirklich?« fragte der junge Mann sehr erfreut. »Na, Jott sei Dank!«
    »Um Jottes willen – seien Sie doch bloß nicht so herzlos, Herr Schulze! Wenn er auch bloß ein Schweinehund war, traurig is se darum doch.«
    »Tach, Amanda«, sagte der junge Mann, der Herr Schulze, Lastwagenfahrer der Papierfabrik Korte & Körtig. Er sagte es aber nicht in der guten Stube, er sagte es in der Küche, wo Amanda Backs noch abwusch. »Was hat’s bei euch jejeben? Bücklinge? Müßt ihr nich essen bei die Hitze, Fisch ist doch immer gleich stinkerig …«
    »I wo! Wo er doch geräuchert ist!« widersprach die Krupaß.
    »Tu man nicht so, Schulzing«, sagte Amanda, »als wenn du von nischt wüßtest. Ich habe wohl jehört, wie se mit dir an der Tür getuschelt hat. Jawohl, nu is er tot, mein Hänseken – und wenn er auch ein Lump war, so hat er mich doch auf seine Art geliebt, wie ich damals war, ohne alles, nichts als die rechte Hand von Mutter Krupaß.«
    »Wenn du meinst, Amanda, daß ich dir darum …«
    »Wer sagt denn das? Wer spricht denn von dir?« sagte Amanda und warf den Kupferschwamm in das Abwaschwasser, daß es klatschte. »Ihr Männer denkt immer, man redet bloß von euch. Nee, von meinem Meier habe ich geredet und daß ich nicht darüber wegkomme, daß er auch als Lump gestorben ist. In Pirmasens

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