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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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packte, um ihn dem kleinen Teufel zu entreißen.
    Es gelang ihm nicht.
    Das Kind hielt seine Waffe mit aller Kraft fest, so daß Tobias es mitsamt dem Stock zu sich heranzerrte, bis es nahe genug war, daß er mit der linken Hand nach ihm greifen und es am Kragen seines schmutzigen Hemdes packen konnte.
    Sofort ließ es seinen Stecken los und versuchte davonzulaufen, und als es sich nicht befreien konnte, wandte es sich um und begann mit beiden Fäusten auf ihn einzuschlagen. Allmählich wurde Tobias zornig. Es war ein Zorn, der viel mehr ihm selbst galt, daß er sich von einem Kind derart hatte überrumpeln lassen, aber die Schläge der kleinen Fäuste taten weh, und zu allem Überfluß begann das Kind jetzt auch noch nach ihm zu treten, und es trug zwar einfache, aber äußerst harte Sandalen mit schweren hölzernen Sohlen.
    Tobias packte es auch mit der anderen Hand am Kragen, hob es einfach in die Höhe und schüttelte es heftig. »Hör auf!« schrie er. »Hör sofort auf, oder ich muß dich schlagen!«
    Der kleine Wildfang hörte nicht auf, sondern versuchte nun, ihm mit seinen langen Fingernägeln die Augen aus dem Kopf zu kratzen. Tobias drehte wütend das Gesicht zur Seite, setzte das strampelnde Bündel mit einem harten Ruck wieder auf den Boden zurück - und versetzte ihm eine Ohr-feige. Das Kind fiel zu Boden. Aber es gab nicht den mindesten Laut von sich. Nicht einmal, als Tobias ihm nachsetzte und drohend die Hand hob.
    »Hörst du jetzt endlich auf?« fragte er.
    Der Knabe - sein Hemd war hochgerutscht, und er trug kein Unterkleid, so daß Tobias wenigstens sein Geschlecht erkennen konnte - funkelte ihn an. Seine Wange rötete sich unter all dem Schmutz, und seine Augen füllten sich mit Trä-
    nen. Aber er sagte kein Wort.
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    Tobias zögerte. Für einen Moment wußte er nicht, welches Gefühl in ihm überwog - sein Zorn oder die Bewunderung, die er der Kraft dieses Kindes zollte. Er hatte härter zuge-schlagen, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Seine Hand brannte, und das linke Auge des Jungen blinzelte unentwegt und würde zuschwellen. »Mein Kind«, sagte er besänftigend.
    »Es tut mir leid. So fest wollte ich nicht zuschlagen. Aber wieso greifst du mich an? Ich habe dir nichts getan.«
    Der Junge schwieg noch immer, aber er starrte ihn jetzt eher herausfordernd als ängstlich an. Und endlich begriff Tobias.
    »Wo ist deine Mutter?« fragte er.
    Der plötzliche Ausdruck von Schrecken auf dem Gesicht des Jungen sagte ihm, daß er ins Schwarze getroffen hatte.
    Und trotz allem hatte sich der Knabe nicht gut genug in der Gewalt, den raschen Blick zu unterdrücken, den er an Tobias vorbei auf eine Stelle hinter ihm warf.
    Es war dieser Blick, der Tobias nun wirklich das Leben rettete - er und der Schatten, dessen Reflexion Tobias in den Augen des Jungen sah. Er sprang auf, machte gleichzeitig einen Schritt zurück und zur Seite und riß schützend die Hand über das Gesicht. Der Stein, mit dem die Frau nach seinem Gesicht schlug, prallte gegen seinen Unterarm.
    Tobias unterdrückte einen Schmerzensschrei und packte blitzschnell den Arm der Frau. Gleichzeitig griff er mit der anderen Hand nach ihrem Haar und riß ihren Kopf mit einem Ruck zurück.
    Er hatte mit heftiger Gegenwehr gerechnet, aber die Frau war so schwach, daß sie in seinen Armen zusammensackte.
    Statt sie niederzuringen, mußte Tobias plötzlich einen Schritt nach vorn machen, um sie aufzufangen.
    Fast im gleichen Moment sprang der Junge wieder auf, warf sich gegen seine Beine und begann mit aller Kraft daran zu zerren, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Tobias stieß ihn ärgerlich davon, aber er sprang sofort wieder auf und griff nach dem spitzen Stock, um ihn Tobias in den Bauch zu stechen.
    Tobias schleuderte ihn mit einen Tritt davon, aber auch 21
    jetzt blieb der Junge nicht liegen, sondern schüttelte nur benommen den Kopf, preßte die Hand gegen seine Rippen, wo ihn der Tritt getroffen hatte - und griff unverzüglich wieder an!
    Tobias ließ die wimmernde Frau zu Boden sinken, drehte sich in der Hocke herum und packte den Jungen grob an der Schulter. Dann versetzte er ihm zwei, drei schallende Ohrfei-gen. Und diesmal schlug er so hart zu, daß der Knabe rücklings zu Boden stürzte und leise zu weinen begann.
    »Laß ihn in Ruhe!«
    Eine Hand griff nach seinem Arm. Tobias riß sich mit einem Ruck los, drückte die Frau mit sanfter Gewalt auf den Boden zurück und ging zu dem Jungen. »Rühr dich nicht von der Stelle!«

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