Wolfgang Hohlbein -
verdorben, Ihr Narr«, sagte Theowulf ruhig. »Ihr hättet tun sollen, was ich Euch vorschlug, als Ihr mich damals auf meinem Schloß besuchtet. Ihr hättet sie schuldig sprechen und in aller Heimlichkeit fortschaffen können, und der Gerechtigkeit wäre Genüge getan und Verkolts heimtückischer Plan vereitelt worden.«
Tobias hörte seine Worte kaum. Er starrte Katrin an und versuchte vergeblich, wirklich zu begreifen, was er hörte.
Theowulf trat einen halben Schritt zurück, senkte das Schwert und stieß die Spitze so in einen schmalen Spalt im Boden, daß die Klinge zitternd und aufrecht, wie die 413
absurde Perversion eines silbergoldenen Kruzifixes, zwischen ihnen stehenblieb.
»Katrin«, murmelte Tobias, »bitte! Ich ... ich liebe dich noch immer! Ganz egal, was du getan hast, ich werde dich immer lieben.«
Katrin lächelte unter Tränen. »Ich weiß«, flüsterte sie.
»Und ich dich, Tobias. Aber er ... er . . .« Ihre Stimme schwankte. Für einen Moment konnte sie nicht weitersprechen und kämpfte mit aller Macht gegen die Tränen.
»In einem Punkt, Tobias«, sagte Theowulf eisig, »hat sie Euch nicht die Wahrheit gesagt. Ihr erster Mann ist nicht vor acht Jahren gestorben. Er wurde verhaftet und vor Gericht gestellt und sollte wegen Hochverrats hingerichtet werden.
Und er wäre es wohl auch, hätte sie ihn nicht am Tage vor seiner Hinrichtung befreit und ihm zur Flucht verholfen.«
Tobias' Augen weiteten sich. Alles drehte sich um ihn.
»Katrin!« stammelte er. »Du . . .«
»Er sagt die Wahrheit, Tobias«, flüsterte Katrin. »Er ist mein Mann. Und ich liebe ihn noch immer.«
Theowulf seufzte hörbar. »Du wirst dich entscheiden müssen«, sagte er. »Du hast gehört, was Tobias gesagt hat, er meint es ernst. Wenn er diesen Ort verläßt, werde ich sterben. Und wenn ich diesen Ort verlasse, wird er sterben.«
Und das waren die letzten Worte, die einer von ihnen sprach, an diesem Ort, tief unter der Erde, der der Hölle so nah war, daß er schon beinahe zu ihr gehörte. Tobias wußte, daß es nun endgültig vorbei war. Ganz gleich, wie sich Katrin entschied, er hatte sie in diesem Augenblick endgültig verloren. Das Leben hatte keinen Sinn mehr. Der dicke Bresser hatte recht gehabt, das Böse war übermächtig.
Durchdringend sah Tobias Theowulf an und stellte lautlos, nur in Gedanken, die letzte, alles entscheidende Frage, die er die ganze Zeit über nicht auszusprechen gewagt hatte: Wer bist du? Der Teufel!
Und Theowulf antwortete auf die gleiche, lautlose Art: Vielleicht.
Katrin stand zitternd da, das Gesicht totenbleich. Tränen liefen über ihre Wangen, und das Geräusch ihres krampfhaf-414
ten Schluchzens klang in Tobias' Ohren wie leise, verzweifelte Schreie.
Der Inquisitor schloß die Augen, als Katrin langsam die Hand nach dem Griff des Schwertes ausstreckte, das zwischen Theowulf und ihm im Boden stak.
Er fühlte sich einsam. Und plötzlich war ihm kalt. Unendlich kalt.
ENDE
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