Wolfsfeuer (German Edition)
mit Ausnahme seines Unvermögens, Menschen zu heilen. Das Einzige, womit er sie vor dem Tod retten konnte, war sein Biss.
Julian schaute wieder zu der Wand, wo ein Stapel Holz hätte lagern müssen, dann zu der leeren Kiste, die eigentlich unverderblichen Proviant hätte beinhalten sollen, und schaffte es, einen Zornesfunken in sich zu entfachen.
»Gut«, flüsterte er. »Mehr.«
Selbst wenn er die Wut aufbrächte, die nötig war, um Magie zu wirken, fehlte ihm schlichtweg die Kraft, Alex zu heilen und mit nichts ein Feuer zu entfachen.
Was sollte er tun? Er gelangte zu keiner Entscheidung.
Was ihm nicht ähnlich sah. Er war der Alpha. Entscheidungen waren sein Metier. Gleichzeitig konnte er sich nicht erinnern, sich im Laufe seines langen Lebens je so erschöpft und allein gefühlt zu haben.
War es nicht eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Alex der Grund dafür war?
»Also gut«, sagte er. Indem er laut mit sich selbst sprach, fühlte er sich wacher und konzentrierter. »Wenn du ein Feuer entzündest, wird sie nur noch stärker bluten, sobald sie warm ist.«
Natürlich würde sie daran nicht sterben, aber was, wenn der Blutverlust ihr Gehirn schädigte? Das würde ihm gerade noch fehlen – ein zickiger und schwachsinniger Ex- Jägersucher -Werwolf.
»Danke, ich verzichte«, brummte er und musste lachen. Das Geräusch erschreckte ihn. Es klang, als wäre er selbst ein bisschen schwachsinnig.
Julian nahm die Steppdecke, hob Alex wieder auf seine Arme und stapfte hinaus in den Sturm. Dort nutzte er die Wärme seiner Hände, um Schnee zu schmelzen und die blutige Schmiere von ihrem Körper zu waschen, anschließend wickelte er sie in die Decke und trug sie wieder hinein.
Ihre Lippen waren noch immer violett, ihr Gesicht jetzt kalkweiß. Sie klapperte so heftig mit den Zähnen, dass er Angst hatte, sie könnte sich die Zunge abbeißen. Obwohl das andererseits gar nicht so schlecht wäre. Ohne Zunge dürfte es ihr höllisch schwerfallen zu sprechen.
Leider würde sie nachwachsen.
Julian schlug die Decke zurück und biss die Zähne zusammen, als ihm ihr Duft entgegenströmte. Sie roch nach Wolf, gemischt mit dem zarten, süßen Zitrusaroma einer Frau und einem verführerischen Hauch von Blut. Die feinen Härchen an seinen Armen stellten sich auf, und er bekam eine Gänsehaut.
Die Blutergüsse an ihren Rippen bildeten einen dunklen Kontrast zu ihrer milchweißen Haut. Die Schneewaschung und die extreme Kälte hatten die Blutung der Fleischwunden an ihrem Bauch verlangsamt. Sie waren tief – wäre Alex noch menschlich, wären eine Menge Stiche nötig – , aber Julian sah keine Eingeweide hervorlugen.
»Das muss ein gutes Zeichen sein«, murmelte er.
Sie regte sich stöhnend, und frisches Blut übersprenkelte ihre Haut. Werwölfe genesen schnell – selbst in menschlicher Gestalt – , trotzdem würde sie nicht vollständig heilen, solange sie sich nicht verwandelte oder er ihr half.
Julian legte die Hände auf ihre Wunden, schloss die Augen und dachte an …
Sie war so weich, so samtig, so geschmeidig und …
»Verdammt!« Er riss die Hand weg, als sein Penis zu zucken begann. Was zur Hölle war bloß los mit ihm?
Sie hatte seine Frau ermordet. Das sollte ihn zornig genug machen, um alles vollbringen zu können.
Bloß tat es das nicht.
Stattdessen machte ihn der Gedanke an Alana nur traurig. Und traurig war nicht zornig. Ganz egal, wie sehr er sich wünschte, es wäre anders.
Julian versuchte es erneut, indem er die Hand auf den Bluterguss legte. Sie wand sich unter seiner Berührung, rieb ihre Haut an seiner. Er schloss die Augen und strich mit den Fingern über ihren Rippenbogen; die weiche, saftige Wölbung ihrer Brüste liebkoste seine Knöchel. Es fühlte sich so gut an, so richtig, so vorbestimmt …
Julian machte einen hastigen Satz nach hinten, dabei landete er hart auf dem Gesäß, dann blieb er schwer atmend sitzen und musterte ihre stille, bleiche Gestalt. Dies war nicht richtig. Für ihn würde nie wieder etwas richtig sein. Besonders nicht mit ihr .
Endlich loderte der Zorn in ihm auf, und seine Finger wurden warm.
Julian hielt sie über sie und erinnerte sich an das, was er gefühlt, was er gedacht, was er beinahe getan hätte. Seine Hände glitzerten wie Tau im Licht der Morgensonne, und er beobachtete, wie ihre Haut sich schloss und die Blutergüsse verblassten.
Er konnte sie nicht vollkommen heilen. Er hatte im Moment nicht die Kraft, egal wie stark er seinen Zorn
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