Wolfsfeuer (German Edition)
er hilflos mitansehen, wie Alex’ Kopf auf den Boden knallte und sie reglos liegen blieb.
Er schnüffelte an ihrem Arm, doch sie zeigte keine Reaktion. Aber sie war nicht tot. Nicht wegen dem hier. Dennoch war sie schwer verletzt, und sie blutete stark. Er musste sie von diesem ungeschützten Ort fortschaffen und sicherstellen, dass sie sich bis Sonnenuntergang ausruhte. Dafür brauchte er Arme, Füße, Hände und einen Körper, der nicht verwundet war.
Bedauerlicherweise hatte er sich zu viele Male in zu kurzem Abstand verwandelt. Ihm war schwindlig vor Erschöpfung. Er wollte sich hinlegen und bis zur Dämmerung schlafen.
Doch um schnell und vollständig zu heilen, musste er von einer Gestalt in die andere wechseln, also stellte er sich über Alex und versuchte, seinen Zorn wachzukitzeln. Es war die einzige ihm bekannte Methode, seine magischen Kräfte zu aktivieren. Mit geschlossenen Augen dachte er daran, warum sie hier war, was sie getan, wie sie sein Leben ruiniert hatte. Er rief sich ins Gedächtnis, wie er Alana gefunden – besser gesagt nicht gefunden – hatte. Es war nichts mehr von ihr übrig gewesen außer einem Häuflein Asche.
Die Wut flammte auf, und Hitze durchströmte ihn, während die Magie wie ein warmer Sommerwind über seinen Rücken strich und seine Nackenhaare sich aufstellten. Ein Knurren grollte in seiner Brust, und er stellte sich vor, ein Mensch zu sein. Im nächsten Moment war er es. Julian hob Alex’ leblosen Körper auf und bezwang seinen Hunger, als ihr Blut ihn überströmte.
Erschrocken öffnete sie die Augen und blinzelte mehrmals, dann barg sie den Kopf an seiner Brust. »Was? Wo?«
»Nicht weit von hier gibt es eine Höhle«, sagte er, nicht sicher, ob sie ihn noch hörte, aber getrieben von dem Bedürfnis zu sprechen, sich wieder menschlich zu fühlen, damit der Wolf in ihm aufhörte, den Lockruf ihres Blutes zu vernehmen. »Dort werden wir den Tag über bleiben. Wir können schlecht barfuß und mit nackten Hinterteilen weiterlaufen.«
Nun, sie könnten es schon, aber Frostbeulen würden ihr Vorankommen dramatisch erschweren, und selbst Werwölfe mussten sich ausruhen.
Leider war »nicht weit von hier« leicht untertrieben. Die Höhle lag gute acht Kilometer entfernt, und mit Alex auf den Armen benötigte Julian für die Strecke länger, als ihm lieb war. Vor allem, nachdem sich die hübschen Schneeflocken zu einem stürmischen Schneegestöber verdichteten, das den letzten Rest Sonnenlicht verschluckte. Als sie den Unterschlupf endlich erreichten, tobte ein ausgewachsener Blizzard; Julian konnte kaum etwas sehen, geschweige denn rennen.
Und dann kam es richtig dicke.
Er taumelte auf erfrorenen Sohlen in die Höhle, kniete sich hin, legte Alex behutsam auf den Boden und hastete zur gegenüberliegenden Wand, um Brennholz zu holen.
»Was zur Hölle?«, donnerte er, und das Echo seiner Stimme schlug ihm aus der fast leeren Höhle entgegen.
Das Holz war weg, genau wie die Vorräte, die sie hier deponierten, und auch der Großteil der Decken. Lediglich die einzelne Matratze sowie eine batteriebetriebene Laterne waren noch da, außerdem eine zerschlissene Steppdecke, die zu alt war, als dass sie eine lohnende Diebesbeute gewesen wäre.
Er betätigte den Schalter der Lampe und nickte befriedigt, als sie zu glühen begann, dann trug er sie zu der Stelle, wo Alex lag.
Sie zitterte wie Espenlaub; ihre Lippen waren lila verfärbt, und ihr Gesicht zeigte ein kränkliches Grau. Er musste sie wärmen, und zwar schnell.
Sie war schlüpfrig von Blut. Unter normalen Umständen wäre es inzwischen getrocknet. Doch unglücklicherweise hatte der Schneesturm nicht nur ihre Körpertemperatur gesenkt, sondern zudem das Blut auf ihrer Haut in eine glitschige, breiige Masse verwandelt.
Julian schwankte vor Erschöpfung. Er fand sein Gleichgewicht wieder und schüttelte den Kopf, um die flimmernden schwarzen Lichter, die vor seinen Augen tanzten, zu verjagen und den Blick zu fokussieren.
»Zornig«, nuschelte er. »Ich koche vor Zorn.«
Doch das stimmte nicht. Er brachte kaum mehr die Energie auf, zu stehen. Er wusste nicht, ob er ausreichend Zorn in sich entfachen könnte, um Alex zu helfen.
Julians Kräfte waren ein Mysterium. Er vermutete, dass sie eine Begleiterscheinung seiner Verwandlung waren, da er zuvor keine magischen Fähigkeiten besessen hatte; allerdings verfügte keiner seiner Wölfe über diese Veranlagung. Er hatte bisher keine Grenzen seiner Macht entdecken können,
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