Wolfsfeuer (German Edition)
Augen schossen nach oben. »Das kannst du nicht versprechen.«
»Ich gebe dieses Versprechen nun schon seit einhundert Jahren. Wir sind noch immer hier, er ist es nicht.«
»Noch nicht«, flüsterte sie.
»Noch nicht«, stimmte er zu, und sie erschauderte. »Komm, lass uns dieses Gespräch im Dorf fortsetzen.«
»Mir geht es gut.«
»Mir aber nicht.« Er zeigte auf seine bestrumpften Füße. »Lass uns verschwinden.«
Julian schwang sich auf das Schneemobil, und Alex setzte sich widerspruchslos hinter ihn.
Was besser als alles andere belegte, dass es ihr kein bisschen gut ging.
Barlow vermutete also, dass Alex besorgt war, Edward könne auftauchen und sie zusammen mit den anderen durch Silberkugeln töten. Sie musste dafür sorgen, dass er weiter in diesem Glauben blieb, was bedeutete, dass sie sich wie ein verängstigtes kleines Mädchen gebärden musste.
Leider hatte sie keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte.
Sie hatte seit dem Kindergarten keinen Fuß mehr in eine traditionelle Bildungsstätte gesetzt – abgesehen von dem Tag, als an der Graystone-Mittelschule das Werwolf-Massaker stattgefunden hatte.
Alex überlief ein Frösteln, woraufhin Julian ihr zurief: »Wir sind fast zu Hause.«
Sie zuckte zusammen. Sie war hier nicht zu Hause und würde das auch niemals sein.
Edward hatte die Medien und alle anderen Beteiligten dahingehend manipuliert, dass die zwölf Toten an der Graystone das Ergebnis eines Amoklaufs waren. Edward liebte es zu manipulieren. Manipulation war das, was Edward am besten konnte. Wie sonst hatte er sie hierzu überredet?
Alex riss ihre Gedanken gewaltsam von ihren Erinnerungen und Mandenauer los. Solange sie hier war, musste sie wie ein Werwolf denken, nicht wie ein Jägersucher . Falls Julian entdeckte, dass sie für Mandenauer arbeitete …
Alex erschauderte wieder, und Barlow zog ihre Arme fester um seine Taille, sodass ihre Vorderseite dicht an seinem Rücken lag. Er strahlte Hitze ab wie ein Schmelzofen, und ehe sie sich stoppen konnte, kuschelte sie sich tatsächlich an ihn.
Dabei kuschelte Alex nie . Besonders nicht mit Werwölfen.
Nur, dass sie jetzt selbst ein Werwolf war.
»Scheiße«, murmelte sie, benommen vom Wirrwarr ihrer Gedanken.
Endlich tauchte Barlowsville am Horizont auf, und Alex war heilfroh darüber. Was ihre Verwirrung zusätzlich steigerte.
Sie bretterten durch das Dorf, vorbei am Hauptplatz und eine Straße hinab, in der Alex noch nie gewesen war. Sie hatte angenommen, dass Barlow sie direkt zu Ella bringen und weiterfahren würde, um herauszufinden, wer der Verräter in ihrer Mitte war. Sie würde mit fraglichem Wolf nicht tauschen wollen.
Aber was, wenn …
Sie hatte belauscht, wie der alte Tutaaluga Barlow darauf hingewiesen hatte, dass er ein Schamane war, der alles vollbringen konnte. Trotzdem beharrte Barlow darauf, dass er nicht aus Mordlust töte. Dass niemand hier das tue.
Aber wer hatte dann die Weise Frau gefressen?
Barlow hielt vor einem zweistöckigen Blockhaus am Ende der Straße. Dahinter erkannte Alex ein langes, weißes, extrem hässliches Gebäude, das wie ein Warenlager aussah. Was zur Hölle bewahrte er dort auf?
Alex seufzte leise. Sie würde es herausfinden müssen. Das und noch vieles mehr.
Barlow stellte den Motor ab, glitt vom Sitz, lief die Treppe hoch und verschwand im Haus. Verunsichert, was sie tun sollte, blieb Alex auf dem Motorschlitten hocken. Wusste er bereits, wer der Killer war, und war ohne Umwege zu dessen Haus gefahren, um ihn zu bestrafen?
Doch dann kam Barlow wieder heraus, mit dem jungen Inuit im Schlepptau. Er sah sie dort sitzen und runzelte die Stirn. »George muss sich auf den Heimweg machen«, informierte er sie. »Komm rein.«
Alex bestaunte das rustikale Gebäude. » Hier wohnst du?«
»Was stört dich daran?«
»Nichts.« Sie stieg ab. In Wahrheit neidete sie ihm die Blockhütte mit einer Sehnsucht, die sie beschämte. Wann immer sie von einem eigenen Haus geträumt hatte – was nicht oft vorgekommen war, da es nie real werden würde – , hatte sie von einem Blockhaus geträumt, das diesem sehr ähnlich war. »Wo sind die weißen Stützsäulen, die goldenen Fensterrahmen, die Marmortreppen und blinkenden Neonschilder, die verkünden: HIER WOHNT DER WERWOLF - GOTTKÖNIG VON BARLOWSVILLE ?«
George riss entgeistert die Augen auf, dann guckte er zu Barlow, als erwartete er, dass dieser … was? Alex auf der Stelle exekutierte?
Doch Julian lächelte vergnügt. Er schien sie von
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