Wolfsfeuer (German Edition)
Stunde zu Stunde amüsanter zu finden.
Wie seltsam. Die meisten Menschen fanden sie immer weniger lustig, je länger sie mit ihr zu tun hatten. Andererseits war Barlow nun mal nicht wie die meisten Menschen. Er war überhaupt kein Mensch.
»Das Zeug muss ich wohl in meinem anderen Anzug vergessen haben«, konterte er. Was keinerlei Sinn ergab. Warum lachte sie dann?
Georges Blick huschte zwischen ihnen hin und her, während die Besorgnis auf seinem Gesicht Verständnislosigkeit wich. Er kapierte den Witz auch nicht.
»Ich fürchte, wir hatten einen kleinen Unfall«, sagte Barlow und zeigte auf die Delle. »Und dein Helm ist … « Er sah Alex an und lächelte.
»Futsch«, ergänzte sie. »Dein Helm ist futsch.«
»Ich kaufe dir einen neuen.« Barlow hielt den Augenkontakt mit Alex unverwandt aufrecht, und sie spürte ein leises Flattern unter ihrem Brustbein, ein heißes Prickeln, erregend und beunruhigend zugleich.
»Das geht schon in Ordnung, Ataniq .« George kam die Treppe herunter. »Ich habe noch mehr Helme.«
»Ich sprach von deinem Motorschlitten«, erwiderte Barlow trocken.
»Oh!« Der Junge schaute zu Alex, und seine Wangen röteten sich. Sie hatte keine Ahnung, warum.
Er lächelte sie schüchtern an, und sie lächelte zurück, was weitere Röte auf seinen Wangen erblühen ließ.
Barlow räusperte sich, woraufhin George die strahlend blauen Augen auf ihn richtete. Dann nahm er Haltung an, und es fehlte nur noch, dass er die Hacken zusammengeschlagen und sich verbeugt hätte.
Die Absurdität dieses Bildes – ein Inuit-Junge mit langen, fließenden Haaren, der einen Diener machte wie ein europäischer Butler vor seinem Lord – , reizte Alex von Neuem zum Lachen, aber sie bezwang es. Der arme George würde denken, dass sie über ihn lachte.
»Das ist nicht nötig, Ataniq . Ich kann es reparieren.«
»Darin warst du schon immer gut.« Barlow winkte Alex zu sich, und mit einem kleinen Schulterzucken ging sie zum Haus.
Barlows Augen wurden plötzlich schmal, und als Alex besorgt über die Schulter blickte, stellte sie fest, dass Georges Blick an ihrem Hintern klebte.
»Geh jetzt!«, befahl Barlow ihm mit solch eisiger Stimme, dass Alex fröstelte. Er starrte dem Schneemobil nach, bis es das Dorf ebenso schnell verlassen hatte, wie es gekommen war.
»Du hast ihm Angst gemacht.«
»Gut so.« Er bedachte sie mit einem undurchdringlichen Blick und verschwand nach drinnen.
Alex folgte ihm und schloss die Tür. »Er ist doch noch ein Kind.«
Barlow, der in der Diele auf einem Möbel Platz genommen hatte, das ein handgeschnitzter Holzstuhl zu sein schien, und gerade seine nassen Socken abstreifte, hob den Kopf und sah sie an. »Bist du ein Kind?«
»Was? Nein.« Sie glaubte nicht, dass sie je eins gewesen war.
»Er ist so alt wie du, Alex.« Julian stand auf und trug seine tropfenden Strümpfe in die Küche. »Zumindest in etwa.«
Alex blieb in der Diele. Vermutlich hatte er recht. George war in ihrem Alter, vielleicht sogar ein oder zwei Jahre älter. Aber er war ihr so verdammt jung vorgekommen.
»He«, rief sie und folgte ihm den Flur entlang, bevor sie stehen blieb, weil das Eis an ihren Sohlen zu schmelzen begann und sich überall auf dem polierten Holzboden Lachen bildeten, sodass sie in ihren lächerlichen Gummistiefeln auszurutschen drohte. Fluchend zog Alex sie aus und stellte sie auf die Matte neben der Tür. »Hast du irgendwelche Papier…« Sie blieb wie vom Donner gerührt im Durchgang stehen und bestaunte mit offenem Mund die prächtigste Küche, die sie jemals gesehen hatte.
Die Sonne, die durch ein Dachfenster fiel, beleuchtete honigfarbene Balken und Wände. Die Arbeitsflächen waren blendend weiß, die Geräte aus Chrom. Aber was ihr am meisten gefiel, waren die riesigen Natursteine, die sowohl die Kochinsel als auch den offenen Kamin im angrenzenden Esszimmer charakterisierten.
»Irgendwelche Papier… was?«, fragte Julian, der gerade aus einem kleinen Raum im rückwärtigen Teil kam. Alex erhaschte einen Blick auf eine Waschmaschine, bevor er die Tür schloss.
»…tücher«, stammelte sie, noch immer voller Staunen.
Julian bemerkte es und blickte sich um. »Was ist?«
»Sie ist wunderschön.«
»Danke. Ich … nun ja.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich koche gern.«
Alex sah ihn mit großen Augen an. »Echt?«
»Warum nicht?«
»Na ja, ich habe das … nie getan.«
»Das dachte ich mir«, antwortete er ruhig, und für einen Augenblick hätte sie schwören
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