Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
auf die Kante eines Stuhls. Sie seufzte, dann begann sie zu sprechen.
„Erinnerst du dich, was Schwester Unheimlich über die Nacht des Jagdmonds gesagt hat?“
„Opfer. Blut, Tod, Tränen. Der ganze Sermon.“
Jessie lächelte. „Es geht um noch ein bisschen mehr als das.“
„Tut es das nicht immer?“
„Doch. Wusstest du, dass sich in einem Wolfsrudel nur das Alphapaar vereinigen darf?“
„Ich glaube, so etwas in Benimmregeln für Wölfe , Seite 333, gelesen zu haben.“
Jessie wölbte eine Braue.
„Verdammt. Der ultimative Alpha . Das Ritual beinhaltet Sex?“
„So habe ich das verstanden.“
„Mit wem?“
„Seiner Gefährtin.“
Mein Rücken fing an zu brennen, als ob jemand ihn mit Benzin übergossen und ein Streichholz daran gehalten hätte.
32
„Und was jetzt?“ Das schien die Frage der Woche zu sein.
„Jetzt machen wir damit weiter, Wölfe abzuknallen, wo auch immer sich die Gelegenheit bietet, nach ihrem Versteck zu suchen, Tag und Nacht nach Hector Ausschau zu halten und so lange zu graben, bis wir eine Möglichkeit finden, das hier zu beenden, bevor der Mond voll ist.“
„Weil, wenn wir das nicht tun?“
„Du vor jedem Werwolf der Stadt ’ne Nummer schieben wirst.“
Ich wollte etwas Flapsiges erwidern, aber meine Stimme ließ mich im Stich. Alles, was ich tun konnte, war, den Mund zu bewegen. Kein Ton kam heraus.
Jessie wirkte besorgt. Sie beugte sich zu mir und klopfte mir so fest auf den Rücken, dass ich erst nach Luft schnappte, dann hustete. Das war doch schon mal was.
„Ich bin okay“, würgte ich hervor.
„Will möchte noch mal zu Cora fahren. Sich ein paar von ihren Büchern leihen. Willst du mitkommen?“
Sie wollte auf mich aufpassen. Ich würde sie nicht lassen.
„Nein. Ich muss mich um ein paar Sachen kümmern.“
Jessie runzelte die Stirn. „Abe r – “
„Wenn das, was du sagst, wahr ist, bin ich bis zum Vollmond in Sicherheit. Falls überhaupt Hector dahintersteckt.“
„Wir wissen beide, dass es Hector ist, Leigh.“
Ich bewegte die Schultern. Eine Welle des Schmerzes überrollte mich. Ja, das wussten wir.
„Ich muss ein bisschen schlafen“, sagte ich. „Warum kommst du nicht mit den Büchern hierher? Ich bestell eine Pizza. Wir können uns beratschlagen, und dann losziehen, um Monster zu töten. Lass uns Mädels mal so richtig einen draufmachen.“
Sie zögerte. „Du versprichst, drinnen zu bleiben, bis wir zurück sind?“
„Ja, Mutter.“
Sie sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, stand aber auf und ging in Richtung Tür. Sie schien von ihrer Schulterwunde keine Nachwirkungen mehr zu spüren. Darüber war ich froh.
Jessie blieb mit der Hand an der Klinke stehen. „Wir wissen, was sie vorhaben, Leigh. Was bedeutet, dass wir ihnen einen Schritt voraus sind. Irgendwie gibt mir das ein gutes Gefühl.“
„Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen.“
Ihre Mundwinkel zuckten. Fast hätte sie gelacht. „Spiel schön weiter den Klugscheißer. Du weißt, wie sehr ich das liebe.“
Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Ich sah mich in dem gemieteten Zimmer um, musterte meine Tasche und meinen Laptop. Ich hatte keine andere Adresse als .com, keinen anderen Kleiderschrank als meinen Koffer. Plötzlich war ich es leid, kein Zuhause zu haben. Wann war das passiert?
Ich legte mich hin und versuchte zu schlafen, döste aber nur so vor mich hin. Sobald ich die Augen zumachte, sah ich den Stollen und die menschlichen Knochen. Irgendetwas war seltsam daran. Sie wirkten beinahe wie eine Warnung.
Ich setzte mich kerzengerade im Bett auf. Wir waren nie weiter als bis zu diesen Knochen gegangen, und plötzlich wollte ich das Versäumte nachholen.
Ich schaute zum Fenster. Die Nacht senkte sich bereits herab. Ich musste länger gedöst haben als gedacht.
Ich hatte Jessie versprochen, nicht rauszugehen, was ich um diese Uhrzeit definitiv auch nicht tun sollte. Aber, na ja, ich war noch nie sehr gut im Halten von Versprechen gewesen. Man denke nur an das, welches ich Jimmy gegeben hatte.
Ich zog mich an, schnappte mir ein paar Waffen und Munition, dann ging ich nach unten.
Damiens Blockhütte war dunkel. Die Bar hingegen erstrahlte so hell wie ein Baseball-Stadion während des siebten Innings.
Ich ging darauf zu. Selbst Jessie konnte nicht wütend auf mich sein, wenn ich mit Damien an der Seite Nachforschungen anstellte. Gab es einen besseren Schutz als einen Werwolf? Zu dumm, dass ich ihr das nicht sagen konnte.
Ich betrat die Bar
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