Wolfsherz
Finte gerechnet, irgendeiner Täuschung oder anderen Mätzchen, aber Stefan warf sich einfach nach vorne, schlug nach seinem Gesicht und traf. Der Mann taumelte, mehr überrascht als wirklich erschüttert, stieß einen grunzenden Laut aus und griff mit der unverletzten Hand nach seiner Schulter. Stefan wich der Bewegung aus, faltete beide Hände zu einer einzigen Faust und hämmerte sie dem Russen mit aller Kraft gegen den verletzten Arm.
Wenigstens versuchte er es.
Der Mann hatte den Angriff vorausgeahnt, wich Stefan mit einer fast spielerischen Drehung aus und schlug ihm die Handkante in den Nacken.
Es tat nicht einmal weh. Stefan spürte nicht den geringsten Schmerz; genaugenommen spürte er plötzlich fast gar nichts mehr. Sein Körper versagte ihm einfach den Dienst. Er taumelte an dem Russen vorbei, drehte sich in einer hilflosen Drei-viertel-Pirouette dem Boden entgegen und fragte sich, wie weit Rebecca mittlerweile gekommen sein mochte. Zwei Sekunden, allerhöchstens drei. Nicht weit genug.
Mühsam wälzte er sich auf den Rücken, versuchte sich hochzustemmen und fiel wieder zurück. Der Schlag hatte ihn weder betäubt noch völlig gelähmt, aber er schien seinen Körper sämtlicher Kraft beraubt zu haben.
Die beiden Russen kamen näher. Sie wechselten ein paar Worte in ihrer Muttersprache, die Stefan natürlich nicht verstand, die sich aber eindeutig häßlich anhörten. Einer von ihnen holte aus und versetzte ihm einen Tritt gegen den Oberschenkel, der entsetzlich weh tat. Sie lachten. Trotzdem hatte Stefan das deutliche Gefühl, daß sie enttäuscht waren. Wahrscheinlich hatte er es ihnen zu leicht gemacht. Wie lange? Zehn Sekunden? Kaum mehr. Das war zu wenig. Viel zu wenig.
»Also schön«, stöhnte er. »Macht schon. Macht mich fertig. Das wolltet ihr doch, oder?«
Er bekam einen weiteren Tritt, diesmal gegen den Hüftknochen, der fast noch mehr weh tat, aber das war Zufall; eine Reaktion darauf,
daß
er geredet hatte, nicht was. Die beiden Kerle verstanden ihn so wenig wie er sie. Das machte die Sache schwieriger. Fünfzehn Sekunden. Immer noch nicht genug. Er konnte Rebeccas Nähe noch immer spüren.
Dann begriff er seinen Irrtum.
Es war nicht Rebecca, deren Anwesenheit er spürte. Es war dasselbe, auf absurde Weise gleichermaßen beruhigende wie angst machende Gefühl, das er vorhin unten im Keller gehabt hatte, nur ungleich stärker. Irgend etwas kam näher. Schnell. Raste regelrecht heran.
Wenn er noch irgendeinen Zweifel an seinen eigenen Empfindungen gehabt hätte, so wäre dieser von der Reaktion der beiden Männer beseitigt worden. Sie spürten es auch, vielleicht nicht mit den unheimlichen, überscharfen Sinnen, die Stefan noch immer eigen waren, aber mit den Instinkten von Männern, die ihr Leben lang Jäger und Gejagte gewesen waren. Der mit dem verletzten Arm sah mit einem Ruck hoch, der andere hob mit einer fließenden, unglaublich schnellen Bewegung wieder seine Waffe.
Er war trotzdem nicht schnell genug.
Ein langgestreckter Schemen flog aus der Nacht heraus auf ihn zu, prallte mit einem dumpfen, sonderbar schwer wirkenden Laut gegen ihn und riß seinen Arm ab.
Der Anblick war so entsetzlich, daß er schon wieder unwirklich wurde und damit einen Großteil seines Schreckens verlor.
Trotzdem wußte Stefan, daß er ihn nie im Leben wirklich vergessen würde.
Die beiden Schatten verschmolzen für einen Moment zu einem einzigen, fast formlosen Umriß. Er hörte ein Schnappen, den Laut schrecklicher, unvorstellbar
starker
Kiefer, der jäh in ein fürchterliches Reißen und Brechen überging. Der Wolf -Wolf? Nein, zum Teufel, es war ein Hund, ganz einfach, weil es nichts anderes sein durfte! - stürzte zu Boden, überschlug sich zweimal und kam mit einer ungeschickt aussehenden, aber erstaunlich schnellen Bewegung wieder auf die Pfoten. Der Söldner taumelte zurück, schwenkte den zerfetzten Stumpf seines rechten Armes, aus dem Blut schoß wie Wasser aus einem gerissenen Hochdruckschlauch, und weigerte sich noch immer, zu stürzen oder auch nur einen Schrei auszustoßen. Wahrscheinlich war der Schock so groß, daß er nicht einmal Schmerz spürte. Das alles geschah in einer einzigen, endlos erscheinenden Sekunde.
Noch ehe sie ganz zu Ende war, griff der zweite Söldner an seinen Gürtel, um seine Pistole zu ziehen, und Stefan mobilisierte seine letzten Energien, stemmte sich halb in die Höhe und warf sich gegen seine Knie.
Es gelang ihm nicht, ihn zu Boden zu reißen; nicht
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