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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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war. Ein tiefes, drohendes Knurren kam aus ihrer Brust; ein Laut, der mehr zu spüren als zu hören war.
    Eine Sekunde später verharrte Rebecca mitten im Schritt, und dann spürte Stefan es auch. Vielleicht als letzter, aber mit fast körperlicher Wucht. Es war nicht vorbei. Die Gefahr war wieder da, und diesmal war sie unmittelbar vor ihnen.
    »Da... ist jemand«, flüsterte Rebecca. Ihre Haltung drückte die gleiche Anspannung aus wie die des Mädchens - und auch die Stefans, auch wenn er sich dessen selbst nicht einmal bewußt war. Der Kampf war noch nicht vorbei. Sie waren immer noch Beute.
    Stefan strengte seine Augen an, aber er konnte nichts erkennen außer Schatten und im Dunkel verschwimmende Umrisse, hinter denen sich alles oder auch nichts verbergen konnte. Das Krankenhausgebäude lag unmittelbar vor ihnen.
    Er konnte den erhellten Bereich vor dem Empfang erkennen und dicht vor seinem jenseitigen Rand sogar den verwaschenen rostroten Farbfleck des Golf - aber dazwischen lag ein Abgrund aus Schwärze, und darin lauerte etwas. Er spürte es. Er konnte den Haß und die Aggressivität wittern, die der Jäger ausstrahlte.
    »Nimm das Kind«, sagte er. Da war kein Gedanke an Flucht; nicht einmal die bloße
Möglichkeit.
Die Jagd war zu Ende. Jäger und Beute hatten sich gefunden, und die Entscheidung fiel
jetzt.
    Rebecca nahm ihm Eva aus den Armen und trat einen Schritt zurück, und aus dem Schatten unmittelbar vor ihnen löste sich eine hochgewachsene Gestalt. Ihr linker Arm hing kraftlos herab, der andere war in einer deutenden Geste auf Stefan gerichtet. Die Schatten der Nacht löschten das aus, was sie in der Hand hielt, aber Stefan wußte natürlich, was es war.
    Stefan trat mit einem einzigen Schritt zwischen Rebecca und die Waffe, die auf sie gerichtet war. Der ausgestreckte Arm folgte seiner Bewegung, aber der Mann blieb stehen, wo er war. Eine Sekunde später trat ein zweiter, noch dunklerer Umriß neben ihn. Auch er war bewaffnet. Stefan konnte die Entschlossenheit der beiden Männer überdeutlich spüren.
    Ganz langsam hob er die Arme. Er vermutete, daß er für die beiden Söldner ein ebensolcher verschwommener Schemen war wie sie für ihn; deshalb bewegte er sich unendlich langsam und mit übertrieben pantomimischer Gestik.
    »Ich versuche sie aufzuhalten«, flüsterte er. »Lauf zum Haus! Schrei! Vielleicht folgen sie dir nicht.«
    Natürlich würden sie ihr folgen. Die beiden Kerle würden nicht zögern, sie vor hundert Zeugen zu erschießen oder aber auch vor einer laufenden Fernsehkamera, wenn es sein mußte. Aber er wollte nicht, daß sie etwas Dummes tat und sich etwa in den Kampf einmischte.
    Falls es einen solchen überhaupt gab und er nennenswert länger als eine Sekunde dauerte.
    Er hob den rechten Arm weiter, senkte gleichzeitig sehr langsam die linke Hand und zog die Pistole aus dem Gürtel.
    Beide Waffen der Russen waren nun auf ihn gerichtet, doch er spürte irgendwie, daß sie nicht schießen würden. Nicht, solange er sie nicht dazu zwang.
    Unendlich behutsam zog er die Waffe aus dem Gürtel, hielt sie in der ausgestreckten Hand von sich weg, so weit er konnte, und ließ sie fallen. Dann senkte er die Hände, ballte sie zu Fäusten und spreizte die Beine.
    Seine Absätze wühlten im Boden, um festeren Halt zu haben.
    »Geh«, sagte er. »Geh ganz langsam los. Du darfst nicht rennen, hörst du?«
    Rebecca antwortete nicht. Aber er spürte, wie sie langsam hinter ihm zurückwich. Konnten die Söldner sie sehen? Wahrscheinlich. Die Dunkelheit war nicht absolut. Wenn sie Rebecca selbst nicht erkennen konnten, würden sie die Bewegung spüren; vielleicht ihre Angst.
    Nach einer Ewigkeit senkten die beiden Russen ebenfalls ihre Warren. Sie warfen sie nicht fort, wie Stefan es getan hatte, sondern steckten sie nur ein. Aber sie hatten die Herausforderung angenommen und mit ihr die Regeln, die er aufgestellt hatte.
    Und warum auch nicht, dachte Stefan. Er stellte keine Gefahr für sie da, ob mit oder ohne Waffe. Sie würden nur ein paar Sekunden brauchen, um ihn zu erledigen, und die Jagd auf Rebecca anschließend in aller Ruhe fortsetzen. Stefan wußte, daß er keine Chance hatte. Aber er war entschlossen, es ihnen so schwer wie möglich zu machen. Wer weiß, vielleicht gelang es ja, sie fünf Sekunden lang aufzuhalten, statt nur zwei oder drei.
    Ohne Vorwarnung warf er sich auf den Mann mit dem verletzten Arm.
    Die Überraschung gelang ihm sogar. Vielleicht hatte der Russe mit irgendeiner

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