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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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drehen, sodass sie auf der Schulter landete und nicht auf dem Kind. Ihr Kopf knickte zur Seite, prallte auf das Eis, und ihr wurde schwarz vor Augen, während das Kind ihr aus den Armen glitt.
    Wie hinter einem roten Schleier hörte sie das Motorrad näher kommen, bis der Motor schließlich abgeschaltet wurde. Der Ständer wurde heruntergeklappt, und Schritte näherten sich. Ein heller Fleck wuchs in der Mitte des roten Schleiers, bis sie den Schnee und das Eis und die blaue Mütze des Kindes wieder erkennen konnte. Jerrys Motorradstiefel traten in ihr Gesichtsfeld und blieben stehen.
    »Was zum Teufel treibst du denn da, Mama? Was ist das für ein Kind?«
    11
    Lennart saß im Auto und war auf dem Weg nach Hause. Ausnahmsweise war er nicht unzufrieden. Normalerweise war er eigentlich immer wütend, wenn er von einer Studiosession oder einem Meeting in Stockholm kam. Aber dieses Mal war alles nach seinen Vorstellungen gelaufen.
    Ein neuer Produzent war während der Endphase der Produktion dazugekommen. Als Lennart den jungen Mann erblickt hatte, der mit einer gelben Sonnenbrille auf der Nase durch das Studio schlurfte, war alle Hoffnung von ihm gewichen. Aber man höre und staune, der neue Mann hatte Lennarts Sachen gemocht, hatte sie als »modernisierten Motown-Sound« bezeichnet und ihnen einen »geilen Vintage-Faktor« zugeschrieben. Er hatte zwei eingespielte Tracks, die bereits aussortiert waren, wieder zurückgeholt, und Lennart wurde als Komponist von drei Stücken des Albums aufgeführt. Einer von Lennarts Songs war als erste Single-Auskopplung vorgesehen.
    Lennart zog also keine missmutige Grimasse, ließ kein genervtes Seufzen hören, als er Jerrys Motorrad auf ihrem Hof sah. Er war vorübergehend in einen Mantel der Unverwundbarkeit gehüllt. Er war Komponist und schwebte über den Misslichkeiten des Alltags.
    Laila und er waren seit über fünfundzwanzig Jahren verheiratet und wohnten fast ebenso lange in diesem Haus. Schon als Lennart die Tür hinter sich zuzog und sich die Schuhe aufzuschnüren begann, überkam ihn das Gefühl, dass heute etwas anders war. Die Atmosphäre im Haus war nicht mehr dieselbe, aber er wusste nicht, was dahintersteckte.
    Als er die Küche betrat, bekam er die Antwort. Dort saßen Laila und Jerry. Auf Jerrys Schoß saß das Mädchen. Lennart blieb im Türrahmen stehen, und der Mantel fiel von seinen Schultern. Laila warf ihm einen flehenden Blick zu, während Jerry tat, als hätte er seine Anwesenheit gar nicht bemerkt, dasMädchen unter die Arme fasste, in die Luft hob und »tuttuttut« sagte.
    »Sei vorsichtig«, sagte Lennart. »Sie ist kein Spielzeug.«
    Wie viel hatte Laila ihm erzählt? Lennart zwinkerte ihr zu und sagte: »Laila, kommst du?«, machte auf dem Absatz kehrt und ging ins Studio, wo sie sich ungestört unterhalten konnten. Aber Laila kam nicht.
    Als er in die Küche zurückkam, sagte Jerry: »Mach keinen Zirkus, Papa. Setz dich.«
    Lennart ging zu Jerry und streckte die Hände nach dem Kind aus. Jerry gab es nicht her. »Setz dich, habe ich gesagt.«
    »Gib sie mir.«
    »Nein. Setz dich hin.«
    Lennart konnte nicht glauben, was sich hier abspielte. »Ist das hier so eine Art … Geiselnahme, oder was?«
    Jerry drückte seine Wange an die des Mädchens. »Sie ist doch meine kleine Schwester, beinahe jedenfalls. Dann darf ich sie auch mal auf dem Schoß haben, oder?«
    Lennart setzte sich auf die Stuhlkante, damit er sofort aufspringen konnte, falls Jerry irgendetwas anstellte. Schon vor Jahren hatte Lennart aufgegeben, sich vorzustellen, was im Kopf seines Sohnes vorgehen mochte, und er fürchtete sich vor ihm, wie man sich vor allem fürchtet, was unbekannt und damit unberechenbar ist.
    In Jerrys kräftigen Armen sah das Mädchen klein und verletzlich aus. Jerry brauchte nur einmal zuzudrücken, und sie würde wie ein Ei zerbrechen. Die Situation war schwer zu ertragen, und Lennart bediente sich der einzigen Sprache, von der er sicher war, dass Jerry sie verstand.
    »Jerry«, sagte er. »Du bekommst fünfhundert Kronen, wenn du sie mir gibst.«
    Jerry schaute zu Boden und schien das Angebot zu überdenken. Dann sagte er: »Wieso, glaubst du, ich würde ihr wehtun oder so etwas? Wofür hältst du mich eigentlich?«
    Ihm Geld anzubieten, war ein Fehler gewesen. Wenn Jerryeine Vorstellung davon bekam, wie viel ihm das Mädchen bedeutete, würde sich die Situation weiter verschlimmern. Also nahm er sich die Zeitung vom Tisch und tat so, als würde er sich für die

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