Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
und sie brauchte nur ein paar Sekunden, um durch den Schädelknochen zu kommen. Johannes’ Beine streckten sich in ein paar letzten krampfartigen Zuckungen und warfen die Plastikblume um. Dann beugte sie sich über ihn und nahm das, was er gewesen war.
Als sie sich erhob, war der Weg geebnet, und sie wusste, dass sie die Kraft hatte, ihn zu gehen. Es gab nichts mehr. Keine Rücksichten, nichts, zu dem sie zurückkehren konnte. Sie war durch und durch glücklich, als sie die Tür hinter sich schloss und die Treppen hinunterging, durch die Gerüche nach Braten, Reinigungsmittel und sonnenwarmem Staub, der in ihren Nasenlöchern kitzelte.
Vor dem Bahnhof warf sie die Briefe in den Briefkasten. Sie waren adressiert an die Zeitungen Dagens Nyheter , Svenska Dagbladet , Expressen und Aftonbladet . Alle Briefe hatten den gleichen Wortlaut, und sie hatte sie geschrieben, weil sie es konnte.
Hallo,
Heute auf dem Skansen-Festival werden wir viele Menschen töten. Wir sterben vielleicht auch. Man weiß nie.
Ihr werdet fragen, warum. Warum, warum, warum. In den Schlagzeilen. In den Zeitungen. Riesige Buchstaben. WARUM? Ein Meer aus brennenden Kerzen. Zettel mit Grüßen. Weinende Menschen. Und über allem: WARUM?
Und da antworten wir (haltet euch fest): DARUM!!!!
Weil das Todeswasser steigt. Begreift ihr, dass das Todeswasser steigt? In den Schulen. Bei Idol . Bei H&M. Es steigt. Alle wissen es. Alle spüren es. Niemand begreift.
Heute läuft es über.
Wir waren die netten Mädchen ganz vorn. Wir schrien und weinten auf Kommando. Wir verehrten uns selbst, als ihruns zu Stars gemacht habt. Wir kauften uns selbst von euch. »High five«, sagtet ihr. »Glückwunsch!«
Das Todeswasser steigt. Verdientermaßen. Alles ist euer Verdienst. Alles, worum ihr euch verdient gemacht habt.
Grüße
Skansens Wölfe
Eigentlich gab es nichts, was sie sagen wollte. Sie hatte eine Bedeutung herbeifantasiert, weil es ihr angemessen schien. Wenn man schon etwas Großartiges machen wollte, konnte man auch einen großartigen Grund dafür anführen, dann wird es hübscher. Sie hatte am Computer gesessen und sich in ihre eigene Situation versetzt. Wenn eine Gruppe von Mädchen im Begriff stand, das zu tun, was sie tun wollten, wie könnte dann ein herzlicher Abschiedsbrief aussehen?
Dann hatte sie ihn geschrieben. Wenn alles so lief, wie sie es geplant hatte, würde dieser Brief bis zur Erschöpfung gedreht und gewendet und jedes einzelne Wort gedeutet werden. Aber sie meinte nichts damit. Sie fingierte sich selbst und erfand alles. Als sie sich durchlas, was sie geschrieben hatte, konnte sie feststellen, dass alles wahr war. Aber es handelte nicht von ihr. Nichts hatte jemals von ihr gehandelt. Vielleicht deswegen.
EPILOG
»Wir warten bis zum ersten Refrain.
Dann fangen wir an. Verteilt euch.«
Teresa, 19.47 Uhr, 26. 6. 2007
I walked a pace behind you at the soundcheck
You’re just the same as I am
What makes most people feel happy
Leads us headlong into harm
The Smiths, Paint a vulgar picture
1
»Mother says I was a dancer before I could walk«
Robert Segerwall hatte sich seinen Platz auf der Ehrentribüne nach dreißig Jahren Dienst im Unterhaltungsprogramm des Schwedischen Fernsehens redlich verdient. Er gehört zu denjenigen, auf denen die Kamera verweilt, wenn alle gemeinsam singen. Er trägt einen luftigen, beigen Leinensakko und macht einen ebenso gediegenen wie entspannten Eindruck. Ja, er war einer der möglichen Kandidaten, die nach Lasses Abschied als neuer Moderator im Gespräch waren. Er ist nicht verbittert, er liebt seinen freien Sommer.
Als ihn der erste Hieb am Arm trifft, kann er sich noch einen Augenblick lang darüber ärgern, dass jemand ihm sein Sakko ruiniert hat. Dann kommt der Schmerz und das Blut. Als seine Frau neben ihm entsetzt aufschreit, wird ihm klar, dass die Gefahr real ist.
Er wendet sich seinem Angreifer zu, kann aber nichts mehr machen, bevor ein Schnitt durch seinen Hals seine ganze Aufmerksamkeit erfordert. Die Hiebe, die danach kommen, sind unwesentlich.
»She says I began to sing long before I could talk«
Alle wissen, wenn Linda Larsson etwas macht, dann macht sie es richtig. Also war sie bereits um zehn Uhr morgens an der Sollidenbühne gewesen und hatte sich einen Platz gesucht. Wennsie schon mal auf das Skansen-Festival geht, dann will sie auch voll auf ihre Kosten kommen. Ihr Fresspaket hat sie im Laufe des Tages aufgegessen, sie hat sich die Proben angeschaut. Sie plant
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