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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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sauste schnurstracks auf den Bürgersteig zu, den
Bordstein hinauf, rammte das Wartehäuschen einer Bushaltestelle, von dem nur noch zerknautschtes
Metall stehen blieb, und knallte schließlich gegen die Mauer der National Gallery.
»Lisa!«, schrie Rebus. Er brachte den Jaguar so abrupt zum Stehen, dass er sich beinah um die
eigene Achse drehte.
Mit lautem Quietschen ging die Fahrertür des BMW auf, und Chambers stolperte heraus. Ein Bein
offenbar verletzt, machte er sich halb humpelnd, halb laufend davon. Mit der rechten Hand hielt
er irgendwas umklammert.
Rebus kämpfte mit seiner Tür und fand schließlich den Griff. Er lief zum BMW und sah hinein. Lisa
saß zusammengesunken auf dem Beifahrersitz, der Sicherheitsgurt spannte sich diagonal über ihren
Körper. Sie stöhnte, doch es war nirgends Blut zu sehen. Schleudertrauma. Nichts weiter als ein
Schleudertrauma. Sie öffnete die Augen.
»John?«
»Es wird alles wieder gut, Lisa. Hab noch einen Augenblick Geduld, es ist gleich jemand bei dir.«
Tatsächlich näherten sich bereits die Polizeiwagen, und uniformierte Beamte kamen auf den Platz
gelaufen.
Rebus blickte von dem Wagen auf und suchte Chambers.
»Da!« Der Richter war aus dem Jaguar gestiegen und zeigte mit einem steifen Arm nach oben. Rebus
folgte der Richtung und sah, dass er auf die Treppe der National Gallery wies. Chambers hatte
gerade die oberste Stufe erreicht.
»Chambers!«, brüllte Rebus. »Chambers!«
Doch die Gestalt verschwand. Rebus lief auf die Treppe zu und musste feststellen, dass er
ziemlich wackelig auf den Beinen war, als ob er statt von Knochen und Knorpel von Gummi aufrecht
gehalten würde. Er stieg die Stufen hinauf und betrat das Gebäude durch die erstbeste Tür - den
Ausgang. Eine Frau in Uniform lag auf dem Boden des Foyers, ein Mann kümmerte sich um sie. Der
Mann deutete auf das Innere der Galerie.
»Da ist er reingelaufen!«
Und wo Malcolm Chambers hinging, da würde ihm Rebus ganz gewiss folgen.

Er lief und lief und lief.
So wie er immer vor seinem Vater davongelaufen war, davongelaufen und die Treppe zum Speicher
hinaufgestiegen war, um sich zu verstecken.
Aber am Ende wurde er doch erwischt. Selbst wenn er sich den ganzen Tag und die halbe Nacht
versteckte, irgendwann zwang ihn der Hunger, der Durst die Treppe hinunter, wo sie auf ihn
warteten.
Sein Bein tut weh. Und er hat eine Schnittwunde. Sein Gesicht brennt.
Das warme Blut tropft ihm am Kinn herunter, fließt über den Hals. Und er läuft.
Nicht alles in seiner Kindheit ist schlecht gewesen. Er erinnert sich, wie seine Mutter behutsam
an den Nasenhaaren seines Vaters herumschnippelte.
»Lange Nasenhaare sind so unschön bei einem Mann.« Es war nicht seine Schuld, nichts von alledem,
oder? Es war ihre. Sie hatten sich eine Tochter gewünscht; sie hatten niemals einen Sohn gewollt.
Seine Mutter hatte ihm rosafarbene Sachen angezogen, Farben für Mädchen und Mädchenkleider.
Dann hatte sie ihn gemalt, ihn mit langen blonden Locken gemalt, ihn in ihre Bilder einbezogen,
in ihre Landschaften. Ein kleines Mädchen, das an einem Flussufer entlangläuft. Das mit Schleifen
in den Haaren herumläuft.
Laufen.
An einem Wächter vorbei, an zwei. Sich auf sie stürzen. Irgendwo schrillt eine Alarmglocke.
Vielleicht bildet er sich das nur ein. All diese Gemälde. Wo kommen all diese Gemälde her? Durch
eine Tür, nach rechts, durch noch eine Tür.
Sie behielten ihn zu Hause. Die Schulen konnten ihn angeblich nicht so unterrichten wie sie.
Hausunterricht, hausgemacht. In manchen Nächten, wenn er betrunken war, warf sein Vater die
Leinwände seiner Mutter um und tanzte darauf herum. »Kunst! Scheißkunst!« Und während er sein
Tänzchen vollführte, lachte er hämisch, und seine Mutter saß die ganze Zeit da, das Gesicht in
den Händen vergraben, und weinte. Dann lief sie in ihr Zimmer und verriegelte die Tür. Das waren
die Nächte, in denen sein Vater in sein Zimmer getorkelt kam. Nur ein bisschen schmusen.
Süßlicher Atem nach Alkohol. Nur ein bisschen schmusen. Und dann mehr als schmusen, sehr viel
mehr. »Mach weit auf, wie beim Zahnarzt.« Gott, es tat so weh.
Ein bohrender Finger... Zunge... das gewaltsame Öffnen... Und noch schlimmer waren die Geräusche,
das dumpfe Stöhnen, das laute näselnde Atmen. Und dann die Heuchelei, so zu tun, als wäre es nur
ein Spiel gewesen, weiter nichts. Und um das zu beweisen, pflegte sein Vater sich
herunterzubeugen und mit den Zähnen ein großes

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