Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
wünschen, Inspector. Ganz wie Sie
wünschen.« Die Stimme war kalt wie der Fußboden in einer Leichenhalle, jeder Hauch von
Menschlichkeit war verschwunden. Vielleicht war es zum Teil Rebus'
Schuld, weil er ihn in Zeitungsartikeln mit Lügengeschichten verspottet hatte. Doch Chambers
hatte sich nicht Rebus ausgesucht, sondern Lisa.
Wenn Rebus eine Sekunde später im Old Bailey angekommen wäre, wäre sie auf dem sicheren Weg in
den Tod gewesen. So wie die Dinge jetzt lagen, war nichts sicher.
Nichts außer der Tatsache, dass Malcolm Chambers wahnsinnig war.
»Er biegt in die Monmouth Street ab«, sagte der Richter mit ruhiger Stimme. Er hatte das volle
Ausmaß von Chambers' Schuld erfasst, den Horror dessen, was geschehen war und was noch geschehen
könnte.
Rebus hörte ein klatschendes Geräusch über sich, blickte nach oben und sah einen Hubschrauber,
der die Verfolgungsjagd beobachtete. Einen Polizeihubschrauber. Außerdem hörte er Sirenen. Und
das tat Chambers anscheinend auch. Der BMW schoss nämlich nach vorn und schrammte an einem
anderen Auto entlang, als er sich in eine Lücke quetschte. Das beschädigte Auto hielt abrupt an.
Rebus bremste, riss das Lenkrad herum, streifte das Auto aber dennoch mit der Stoßstange auf
seiner Seite.
»Tut mir Leid.«
»Machen Sie sich keine Gedanken wegen dem Wagen«, sagte der Richter. »Aber lassen Sie ihn bloß
nicht entkommen.«
»Er wird nicht entkommen«, sagte Rebus mit einer plötzlich erwachten Zuversicht. Wo, zum Teufel,
kam die denn her? Und in dem Augenblick, wo er darüber nachdachte, verschwand sie auch schon
wieder und hinterließ nur ein mulmiges Gefühl.
Jetzt waren sie auf der St. Martin's Lane. Es wimmelte von Menschen, die ins Theater wollten oder
von der Arbeit kamen. Das geschäftige West End. Doch der Verkehr vor ihnen war aus keinem
erkennbaren Grund deutlich weniger geworden, und die Leute gafften regelrecht, als erst der BMW
und dann der Jaguar an ihnen vorbeischoss.
Als sie sich dem Trafalgar Square näherten, sah Rebus rechts und links Polizisten in leuchtend
gelben Jacken, die den Verkehr in den Seitenstraßen anhielten. Warum mochten sie das denn tun? Es
sei denn...
Eine Straßensperre! Nur eine schmale Zufahrt zum Platz hatte man offen gelassen, alle Ausfahrten
waren blockiert, der Platz selbst war für ihre Ankunft frei gehalten. Gleich würden sie ihn
haben. Gott segne dich, George Flight.
Rebus nahm den Telefonhörer, seine Stimme klang wie ein wütendes Knurren, Speicheltröpfchen
flogen gegen die Windschutzscheibe, während er sprach.
»Halten Sie an, Chambers. Sie können nirgendwo hin.«
Schweigen. Sie bogen jetzt schlitternd auf den Trafalgar Square. Um sie herum stauten sich
überall laut hupende Autos, zurückgehalten von der hoch erhobenen, behandschuhten Hand des
Gesetzes. Rebus war wieder obenauf. Das ganze West End von London zum Stillstand gebracht, damit
er mit einem Jaguar ein Rennen gegen einen BMW veranstalten konnte. Er kannte Leute, die sich
Arme und Beine dafür ausreißen würden, an seiner Stelle zu sein. Doch er hatte einen Job zu
erledigen. Darum ging es. Es war bloß ein weiterer Job, der zu Ende gebracht werden musste. Er
könnte genauso gut irgendwelche Jugendlichen in einem geklauten Cortina durch die Straßen einer
Wohnsiedlung in Edinburgh verfolgen.
Aber das tat er nicht.
Sie hatten die Nelsonsäule bereits einmal voll umrundet. Canada House, South Africa House und die
National Gallery waren nur verschwommene Gebilde. Hinter Rebus wurde der Richter gegen die Tür
geschleudert.
»Halten Sie sich fest«, rief Rebus.
»Woran denn bitte?«
Und Rebus lachte. Er brüllte vor Lachen. Dann merkte er, dass die Telefonverbindung zu Chambers'
BMW immer noch bestand. Er lachte noch lauter und nahm den Hörer. Die Knöchel der Hand, mit der
er das Lenkrad umklammert hielt, waren ganz weiß, und der linke Arm tat ihm weh.
»Macht's Spaß, Chambers?«, brüllte er. »Wie hieß es doch in dieser alten Fernsehserie immer so
nett, es gibt nirgends ein Versteck!«
Dann machte der BMW einen Schlenker, und Rebus hörte Chambers keuchen.
»Du Miststück!« Ein weiterer Schlenker und Geräusche wie von einem Kampf. Jetzt, wo Chambers wild
entschlossen war, immer weiter im Kreis zu rasen, revanchierte Lisa sich für vorhin.
»Nein!«
»Lass los!«
»Ich...«
Dann ein durchdringender Schrei, zwei durchdringende Schreie, beide in ihrer Intensität hoch und
weiblich, und das schwarze Auto brach aus,

Weitere Kostenlose Bücher