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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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meine Sinne. Seine Anziehungskraft besaß für mich fast die gleiche Stärke wie die des Vollmondes. Nach einem Augenblick löste ich mich jedoch von ihm.
    »Ich kann nicht, Red.«
    Seine haselnussbraunen Augen blickten mich aufmerksam an. »Passt du dann wenigstens eine Weile auf meinen Ring auf?«, fragte er.
    »Das geht nicht.«
    »Tu es trotzdem.« Er drückte mir den Ring in die Handfläche
und schloss dann sanft meine Finger. Ich ließ es geschehen.
    »Es fühlt sich nicht richtig an.«
    »Ich werde dich aber nicht einfach ziehen lassen, Doc. Doch ich lasse dir den Freiraum, den du brauchst, um zu erfahren, was du willst.«
    »Es tut mir so leid.«
    Red hatte sich bereits umgedreht und ging auf die Haustür zu. Hastig öffnete er die Knöpfe seines Hemds. Er öffnete die Tür und schritt in die kalte Nachtluft hinaus. Ich starrte aus dem Fenster. Draußen schlüpfte Red aus seinen Stiefeln, knöpfte seine Jeans auf und warf mir noch einen letzten Blick über die Schulter hinweg zu – nackt und unerschrocken. Ich glaubte, ihn zwinkern zu sehen, ehe er seine menschliche Form verließ und die des Wolfes annahm. Auf vier Beinen rannte er mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf ein Wäldchen zu, in dem er verschwand.
    Als ich mich vom Fenster abwandte, stand meine Mutter hinter mir.
    »Das war nicht klug von dir«, sagte sie und drückte Pimpernell an ihre Brust, der mich glücklich wedelnd begrüßte.
    »Ich weiß.« Ich streckte meine Arme nach dem kleinen Chihuahua aus.
    Sie gab mir Pimpernell und legte dann einen Arm um mich. Eine Weile standen wir aneinander gelehnt da. »Na ja«, meinte sie schließlich. »Ich habe in meinem Leben ebenfalls viele Dummheiten gemacht. Wie dein Vater auch. Und sieh dich an – das ist das, was dabei herausgekommen ist.«
    Trotz meiner Traurigkeit musste ich lachen. Zärtlich
drückte ich meine Stirn an die ihre. »Die größte Dummheit von allen«, erwiderte ich.
    Meine Mutter wurde schlagartig ernst. Pimpernell gab ein kurzes tadelndes Bellen von sich.
    »Nein«, widersprach sie mir. »Die klügste.« Kurz darauf fügte sie hinzu: »Könnten wir jetzt vielleicht mal über diese Lykanthropie-Sache reden? Red hat nämlich einen sehr interessanten Vorschlag gemacht...««
    Doch so sehr ich es auch manchmal gerne getan hätte und so sehr sich meine Mutter danach sehnen mochte, endlich einmal wirklich und nicht nur im Film mit den Wölfen zu heulen, so konnte ich mich doch nicht dazu überwinden, sie auch tatsächlich zu beißen.

40
    Für einer Jogginglauf war es eigentlich zu kalt, aber ich wollte mich bewegen. April ist der übelste Monat, wie T. S. Eliot einmal geschrieben hat. Ich persönlich halte den März allerdings für noch schlimmer. Es wird zwar behauptet, im März beginne der Frühling, aber in Wahrheit herrscht doch heimlich noch immer der Winter.
    Ich zog zwei Schichten Leggings, einen Rollkragenpulli und das ausgewaschene Flanellhemd an, das Red zurückgelassen hatte. Zuerst hatte ich es weggeräumt, wie ich das auch mit seinem Ring getan hatte. Doch dann verbrachte ich viele schlaflose Nächte, in denen ich nach seinen Dingen suchte – seiner Jeans, seiner Armbanduhr und seinen ausgetretenen Cowboystiefeln, all den Sachen also, die er in jener Nacht vor dem Haus meiner Mutter zurückgelassen hatte. Ich fühlte mich noch immer nicht dazu berechtigt, Reds Ring zu tragen. Aber sein Hemd anzuziehen, erschien mir nicht falsch. Sein Geruch hing noch im Stoff, wenn er auch schwächer wurde, je öfter ich das Hemd trug.
    Ich stand auf der Warteliste für die neuen Assistenzärzte am Institut. In der Zwischenzeit hatte ich ein Zimmer in Lillianas Wohnung an der East Side gemietet und einen
Job bei der Humane Society gefunden, wo ich Katzen und Hunde sterilisierte und kastrierte.
    In meinen freien Stunden arbeitete ich für Malachy Knox, der in der Zwischenzeit sein Haus in Queens in ein Labor umfunktioniert hatte. Ich hatte mich gleich mit ihm in Verbindung gesetzt, als ich wieder nach New York gekommen war, da ich hoffte, dass er mir etwas geben konnte, was meinen Wunsch nach Verwandlung zeitweilig unterdrücken würde.
    Knox schien die Herausforderung gerne anzunehmen. Er mischte eine stinkende Brühe zusammen, die ich jeden Morgen stoisch trank. Seitdem waren drei Monate vergangen, und ich hatte mich kein einziges Mal verwandelt. Allerdings hatte ich seit diesem Zeitpunkt auch keine Periode mehr gehabt, und mein Haar schien dünner zu werden. Doch das nahm ich gerne in

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