Wolfstraeume Roman
Kauf. Es war mir immer noch lieber, als nach Northside zu fahren und dort meinem wölfischen Selbst freien Lauf zu lassen, ohne dabei von Red geführt zu werden. Denn dank meiner großartigen Entscheidung am Silvesterabend war Red ganz und gar aus meinem Leben verschwunden.
Was Malachy Knox betraf, so schien sich seine Gesundheit ein wenig verbessert zu haben. Er wollte seine Untersuchungen dringend vorantreiben – am liebsten mit mir als Patientin. Da ich mich weigerte, ihm diesen Gefallen zu tun, plante er, bald möglichst eine Praxis in Northside zu eröffnen, sobald er das nötige Geld dafür zusammen hatte. Die Idee, dass etwas in dieser Stadt bestimmte Verhaltensweisen und Vorgänge zu fördern schien, kam ihm im Gegensatz zu mir ganz und gar nicht abwegig vor. Allerdings hatte ich mich in den letzten Jahren und Monaten
nicht unbedingt durch eine gute Menschenkenntnis oder auch eine Sensibilität für magische Zusammenhänge hervorgetan.
Ich lebte also wieder in Manhattan. Lilliana und ich verbrachten wunderbare Stunden zusammen. Wir kochten und sahen uns abends die gesamte Fawlty-Towers -Serie auf DVD an. Am Wochenende gingen wir ins Museum und in Ausstellungen oder schauten uns im Kino irgendwelche ausländischen Filme an. Ich hatte wirklich keinerlei Anlass, mich zu beklagen.
Da gab es nur das kleine Problem, dass Red mir schrecklich fehlte. Das Gefühl eines echten Verlustes ließ sich einfach nicht vertreiben, obwohl ich angefangen hatte einzusehen, dass ich ihn wohl wirklich verloren hatte. Ich hörte auf, Jackie anzurufen und sie zu fragen, ob sie ihn vielleicht gesehen hatte. Ich hörte auch auf, die Nummer auf seiner Visitenkarte zu wählen. Meine Mutter baute mich so liebenswürdig wie immer auf. »Wenn ein Mann bereit ist, sich niederzulassen«, wiederholte sie des Öfteren, »dann tut er das mit der Frau, die auch dazu bereit ist. So ist das Leben. Red wollte eine Frau und Kinder, und du hast abgelehnt. Hör auf, ihm nachzutrauern und schau nach vorn. Such dir einen anderen.«
Aber wie sollte ich einem potentiellen Kandidaten von dieser kleinen medizinischen Komplikation in meinem Leben erzählen, die mich einmal im Monat haarig werden ließ und wahnwitzig spitz machte? Und wie sollte ich mich mit Blümchensex zufriedengeben, nachdem ich erlebt hatte, was es heißen konnte, sich völlig fallenzulassen? Vermutlich hätte ich mich nach einem geeigneten Biker umsehen können. Aber ich sehnte mich nicht einfach nur
nach Gefahr, ich sehnte mich nach echtem Verlangen. Ich wollte ein wildes Tier, das an einen gemeinsamen Ritt in den Sonnenuntergang glaubte. Und meine Sehnsucht nach diesem Tier schien täglich zu wachsen.
Ich lief zum Central Park. In der Luft konnte man bereits den Wechsel der Jahreszeiten riechen. An diesem Tag war ganz New York draußen auf den Beinen. Die große Grünfläche in der Mitte des Parks war voller Hunde – und ihrer Besitzer. Ich genoss es, unter Leute zu kommen. Meist trainierte ich in einem Fitnessstudio in der Nähe der Wohnung, was wesentlich einsamer war.
Ich schaltete meinen iPod ein. Helen Reddy begann davon zu singen, wie sie bereits einmal am Boden zerstört gewesen, jetzt aber viel zu klug sei, als dass ihr das nochmal passieren könnte. Die Luft war kühl genug, um sie in meinen Lungen zu spüren, und der unzivilisierte Teil in mir flüsterte mir zu: Lauf! Es war auch der Teil, der den Geruch des Parks so dringend brauchte, dass es ihm nicht reichte, einfach nur spazieren zu gehen. Ich wollte springen und rennen, was das Zeug hielt. Also lief ich los.
Als ich etwas an Geschwindigkeit zulegte, geschah es. Zuerst verfolgte mich ein Golden Retriever zu meiner Linken, der sich vor Aufregung von der Leine seiner dünnen Hundesitterin losriss. Dann schlossen sich die drei Terrier an, die sie ebenfalls ausführte, und schließlich konnte auch der Dackel nicht mehr an sich halten.
»He!« Die Frau rannte den Hunden hinterher und versuchte ihre Leinen zu fassen. Doch nun kamen auch noch andere Hunde angerast. Ein Beagle machte kehrt und lief auf mich zu. Ein Basset hörte plötzlich auf, an etwas zu schnüffeln und stürzte herbei, ohne dass seine Besitzer
etwas dagegen unternehmen konnten. Ein junger schwarzer Schäferhundmischling sprang über eine Bank und bellte begeistert, als er mich schließlich als Erster erreichte.
Ohne anzuhalten sah ich in sein glückliches, freundliches Gesicht, während ich versuchte, nicht langsamer zu werden. Joggen ergab keinen
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