Wolfstraeume Roman
kein Tier, das man in New York an einen anderen Besitzer weitervermitteln konnte. Man würde sie einschläfern müssen und das, obwohl es ihr inzwischen wieder gutging. Röntgenaufnahmen hatten gezeigt, dass ihre Bauchschmerzen nur von einer oberflächlichen Prellung herrührten.
Ich gab mir große Mühe, gelassen zu klingen. »Was ist mit Pia?«
»Sam behauptet, sie wäre >total ausgeflippr<, wie er das nannte. Er hat versucht, ihrem Käfignachbarn Brownie etwas Knochenmark zu entnehmen, und Pia begann, wie eine Verrückte zu bellen.«
»Vielleicht gefiel ihr deine Technik nicht«, warf Ofer ein.
Sam lief rot an. »Ich habe nichts falsch gemacht, Giftzwerg.
Irgendetwas stimmt mit diesem Tier nicht, und das weißt du auch.«
»Natürlich stimmt mit ihr etwas nicht«, erklärte Dr. Knox. »Pia ist verletzt worden und dadurch sehr nervös. Sie werden im Laufe Ihrer Karriere als Tierarzt vermutlich noch mit vielen nervösen Hunden umgehen müssen. Es sei denn, Sie planen, sich ganz auf gesunde Tiere zu spezialisieren.«
Malachy Knox zeigte auf den Kater, den ich noch immer im Arm hielt. »Sam wird Ihren Patienten hier übernehmen, während Sie in den dritten Stock hinaufgehen und sich um Pia kümmern, Ms. Barrow. Vielleicht sind Sie mit dem Extrahieren ja geschickter als unser guter Sam. Lilliana, versuchen Sie bitte, die Besitzerin des Tieres ausfindig zu machen. Nach Pias Serenade müssen wir sie jetzt innerhalb von vierundzwanzig Stunden aus dem Institut entfernen... Also, Sam. Konzentrieren wir uns auf die Röntgenaufnahmen. Vielleicht entdecken Sie ja doch noch etwas.«
Lilliana gab mir ein Zeichen, und wir überließen Sam seinem Schicksal.
»Also«, sagte ich, während wir auf den Lift warteten. »Was war mit Pia los?«
»Ich weiß es auch nicht genau. Irgendjemand im Gebäude hat ihren Wildruf gehört und verlangt jetzt, dass sie verschwindet.«
Die Lifttür öffnete sich, und wir stiegen ein. Für einen Augenblick sah ich zu, wie die Zahlen der Stockwerke über der Tür aufleuchteten, während wir nach oben glitten. Ich dachte an Pia. »Lilliana? Meinst du, dass Pias Besitzerin vorhat wiederzukommen?«
»Ja, ich denke schon. Das habe ich auch schon Knox
gesagt. Sie wird das Tier garantiert nicht einfach so zurücklassen.«
»Wie kannst du dir da sicher sein?« Ihre überzeugte Art machte mich neugierig. Lilliana besaß ein ähnlich scharfes Auge, wenn es um die Gefühle von Menschen ging, wie ich es für Röntgenaufnahmen hatte.
Nachdenklich runzelte sie die Stirn. »Das lässt sich schwer erklären. Es ist einfach recht eindeutig. Für sie ist Pia kein gewöhnliches Haustier, sondern eher eine Freundin. Ich wollte dir übrigens etwas vorschlagen. Wenn ich Brownie für dich halte, während du ihm das Knochenmark entnimmst, könntest du mir dann vielleicht helfen, Pia nach einem Mikrochip abzuscannen?«
»Du kannst offenbar Gedanken lesen.«
Lilliana warf mir einen belustigten Blick zu. »Schön wär’s.«
Der Lift hielt auf unserem Stockwerk. Noch ehe sich die Tür öffnete, sagte sie: »Wenn sie allerdings keinen Chip hat, dann stellt sich die Frage, wie wir Knox davon abhalten können, sie mit nach Hause zu nehmen und an ihr herumzuexperimentieren.«
Bis zu diesem Moment hatte ich noch gar nicht daran gedacht, dass Malachy Knox versuchen könnte, seine Nachforschungen heimlich weiterzutreiben. Aber wenn man den Mann kannte, klang diese Überlegung nicht abwegig.
Wir stiegen aus, und eine andere Gruppe von Hospitanten drängte an uns vorbei in den Lift. »Ich könnte Pia vermutlich einige Tage bei mir zu Hause unterbringen und meinen Mann bitten, sich um sie zu kümmern«, meinte ich nachdenklich, als wir den hell erleuchteten Gang in Richtung der Station entlanggingen.
»Würde er das denn tun?«
»Ich denke schon«, erwiderte ich. »Zumindest nehme ich es an. Er kann manchmal etwas seltsam sein, wenn er schreiben will. Dann verträgt er keine Ablenkung.« Um Hunter nicht in einem schlechten Licht dastehen zu lassen, fügte ich hastig hinzu: »Aber ich bin mir sicher, dass er nichts gegen einen Hund hätte.«
Das Staccato von Lillianas Absätzen hallte im ganzen Flur wider. »Falls Knox Pia allerdings mit dem Lykanthropievirus infiziert und sie menschlich wird«, erklärte ich grinsend, um die Situation etwas aufzulockern, »könnte sie ihn zumindest wegen falscher Behandlungsmethoden drankriegen.«
Wir bogen um eine Ecke. Lilliana nickte einem Hospitanten zu, der uns mit seinem Team
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