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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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Doch bei einem Typen in einer schmutzigen Jeans und einem billigen weißen T-Shirt war die Wirkung nur gering.
    »Dann erklären Sie mal.«
    Pia knurrte erneut.
    »Still, Mädchen. Das macht sie sehr nervös«, erklärte er entschuldigend.
    »Ja, ich weiß. Ich habe gehört, dass sie heute Morgen schon laut gejault hat.« Vorsichtig streckte ich Pia meine Hand hin, um sie daran schnüffeln zu lassen. Dabei vermied ich es, dem Mann in die Augen zu sehen.
    Auf einmal begriff ich. »Meine Kollegen dachten, Pia hätte panisch darauf reagiert, was mit dem Hund im Nebenkäfig passiert ist. Aber in Wirklichkeit hatte das mit Ihnen zu tun, nicht wahr?« Wow, echt clever, Abra, dachte ich. Und wenn der Typ nun verrückt war? Ich hatte vor Aufregung
die wichtigste Regel von New York City vergessen: Bring niemals einen Verrückten gegen dich auf!
    »Sie hat sich ziemlich aufgeführt, als sie mich gerochen hat. Sie wollte raus.« Der Mann streichelte der Hündin den Nacken. Er ging ruhig und sanft mit ihr um, und Pia schien seine Annäherung zu akzeptieren. »Sie arbeiten hier?« Er wies mit dem Kopf auf meinen Labormantel.
    »Ja.«
    Ohne nachzudenken ging ich in die Hocke, um die Hündin zu streicheln. Erst dann wurde mir bewusst, dass ich erneut etwas Dummes getan hatte: Ich befand mich jetzt zu Füßen des Fremden. Dieser schaute mich mit einem nachdenklichen Blick an. Seine Nasenflügel vibrierten.
    Roch ich etwa seltsam? Ich sah wieder zu Pia hin, streichelte sie weiter und tat so, als ob ich nichts bemerkt hätte. Als der Fremde erneut sprach, war seine Stimme so leise und sanft, dass ich einen Augenblick brauchte, um zu registrieren, was er sagte.
    »Ich mache Sie nervös.«
    Ich richtete mich zu meiner vollen Körpergröße auf und merkte zu spät, dass ich viel zu nahe vor ihm stand. »Ein wenig.« Innerlich zwang ich mich, auf keinen Fall zurückzuweichen. Hunde und Serienkiller hatten bekanntermaßen die Angewohnheit, genau dann zuzuschlagen oder zu beißen, wenn man zurückwich.
    »Sie machen mich auch nervös.«
    Ich sah ihn an. Seine Augen funkelten belustigt. Erst jetzt fiel mir auf, dass er recht gut aussah. Er besaß jene Art von schmalem Gesicht mit hohen Wangenknochen, das man auf Fotos aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren immer wieder entdecken konnte.

    »Und weshalb?«
    »Ich hatte gehofft, mich ohne großes Theater von hier verdrücken zu können. Doch Sie wirken auf mich wie eine Frau, die einer Auseinandersetzung nicht so ohne weiteres aus dem Weg geht.«
    Instinktiv hob ich beide Hände. »So streitlustig bin ich gar nicht...«
    »Aber Sie sind auch kein Mensch, der schnell aufgibt. Nicht einmal, wenn Sie mit dem Rücken zur Wand stehen, könnte ich mir vorstellen.« Langsam trat er zwischen mich und die Toilettentür.
    Mir stellten sich die Nackenhaare auf. »Sind Sie mir von der U-Bahn nach Hause gefolgt?«, fragte ich so gelassen wie möglich.
    Er neigte den Kopf zur Seite und sah mich überrascht an. »Wie bitte?«
    Ich schüttelte den Kopf. Nein, das konnte nicht sein. Zu diesem Zeitpunkt musste er bereits in der Tierklinik gewesen sein. Er konnte also gar nichts von meinem Kletterabenteuer wissen. »Ach, nicht so wichtig... hören Sie. Was machen Sie mit dem Hund, Mr...«
    »Red Mallin. Ein Freund von Jackie Roberts, der Besitzerin.« >Ein Freund< bedeutete in diesem Fall wohl der Freund. Der Mann streckte mir die Hand entgegen, und ich schüttelte sie, ohne nachzudenken. Seine Haut fühlte sich ungewöhnlich heiß an. Im selben Augenblick, in dem sich unsere Hände berührten, verspürte ich einen seltsamen Bewusstseinsruck. Erst nach einer Weile merkte ich, dass wir einander anstarrten. Hatte meine Reaktion etwas mit meinem morgendlichen Sex zu tun? Noch dazu war es unbefriedigender Sex, flüsterte mir eine Stimme ins Ohr. War
das eine animalische Anziehung, die plötzlich zwischen uns bestand? Es hatte etwas Verbotenes, wie wir da standen und uns anstarrten. Warum sagte keiner von uns ein Wort?
    »Äh... Sie... Sie sind also Dr. Abra Barrow?« Red zeigte mit einem schlanken Finger auf mein Namensschild.
    »Ja.« Mein Hals fühlte sich trocken an, und ich räusperte mich.
    »Ja...« Er wurde sichtlich nervös. »Gut. Also, ich wollte Ihnen ja gerade erklären... Benutzen Sie eigentlich etwas? Einen bestimmten Duft, meine ich.«
    »Nein.«
    »Aha.« Er ließ meine Hand los und atmete tief durch, als müsste er sich sammeln. Seltsamerweise wirkte er dadurch nicht weniger

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