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Wolke 8...

Wolke 8...

Titel: Wolke 8... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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von den Bäumen und Sträuchern, von den Vögeln oder einfach nur von anderen Badegäste n kamen, schienen in weite Ferne gerückt zu sein. Würziger Duft nach Kiefern und nach Meer lag in der Luft. Nach Meer? Sie war wohl allmählich in so einen Zustand zwischen schlafen und wachen geglitten, bei dem sie Traum und Realität nicht mehr unterscheiden konnte?
    Doch das Rot hinter ihren Lidern war real, so real, dass es mit einem Mal zu brennen begann. Träge öffnete sie die Augen und musste blinzeln. Es war genau der Moment, als sich der Himmel über dem Horizont blutrot färbte und sich im Wasser spiegelte. Was für ein Schauspiel!
    Unter die Freude über diesen schönen Augenblick mischte sich sofort Ärger. Die Kamera! Sie lag im Rucksack – und der befand sich im Auto. Mist!
    Aber so schnell wie der Ärger gekommen war, verflog er auch wieder. Heute war sowieso nicht der rechte Tag zum Arbeiten.
    Langsam ließ sie sich zurück gleiten in den warmen Sand, vom See her wehte eine leichte Brise.
    Wieder wünschte sie sich Jean an ihre Seite, seine Hände auf ihrer Haut, seinen Mund, der ihr eine Haarsträhne aus der Stirn pustete!
    Was hatte er damals gesagt, als sie eng umschlungen am Tagebaurand gestanden und sie ihn gefragt hatte, wann er wiederkäme?
    „ Wenn aus dieser Mondlandschaft ...“
    Nein, irgendetwas in ihr sträubte sich nach wie vor dagegen, die Erinnerung an seine vollständige Antwort zuzulassen. Du meine Güte, meldete sich der Verstand, was soll denn das? Würde es denn weniger weh tun, wenn sie ihre Erinnerungen immer weiter in die hinterste Ecke ihres Bewusstsein verbannte?
    Viel zu lange und viel zu oft hatte sie das in den zurückliegenden Jahren getan!
    Genützt hatte es offenbar gar nichts. Na, also. Sollte sie nicht inzwischen erwachsen genug sein, um zu wissen, dass der Verstand gegen so ein großes und echtes Gefühl sowieso nichts auszurichten vermag?
    Sie spürte, wie ihr Puls schneller wurde. Sie hatte diesen Franzosen wohl nie so richtig vergessen können, nicht einmal in den Jahren, als sie mit Hartmut verheiratet gewesen war.
    Anne schaute auf die Datumsanzeige ihrer Armbanduhr: 13. Juli 1995. Morgen also, morgen würde der Vierzehnte sein, der 14. Juli, der französische Nationalfeiertag.
    An jenem denkwürdigen Tag hatte ihr Jean einstmals einen Heiratsantrag gemacht.
    Ihr wurde flau im Magen, anscheinend waren dort gerade Tausende von Schmetterlingen aus ihrem jahrzehntelangen Tiefschlaf erwacht. Wie war denn so etwas möglich? Sein Antrag lag dreißig Jahre zurück!
    *
    Begonnen hatte ihre Brieffreundschaft aber schon viel eher, als beide noch zur Schule gingen. Er wohnte damals in Marseille und schrieb ihr jede Woche. Sein Deutsch ließ anfangs ebenso zu wünschen übrig wie ihr Französisch. Doch mit der Zeit verbesserten sich ihre Sprachkenntnisse, was auch Annes Lehrerin erfreut zur Kenntnis nahm.
    Nach dem Abitur schrieben sie einander weiter. Eines Tages wollte er Anne sehen und in den Arm nehmen. Er lud sie ein, zu sich nach Hause, nach Marseille. Er wollte sie seinen Eltern vorstellen, wie hatte ihr Herz gejubelt!
    Doch schon im nächsten Augenblick kam eiskalte Ernüchterung. Wie konnte sie das vergessen? Sie lebte doch in einem Land, das Frankreichbesuche für seine Bürger überhaupt nicht vorsah. Aber anstatt zu rebellieren, versuchte sie, ihm diese absurde Beschränkung der Freiheit zu erklären. Sie schrieb ihm von der Berliner Mauer und davon, wie gefährlich es sein würde, sie überwinden zu wollen.
    "Dann komme ich womöglich ins Gefängnis" stand in ihrem Briefentwurf. Beim Durchlesen bekam sie einen Schreck. Das konnte sie so auf keinen Fall stehen lassen.
    Sie schrieb den Brief neu, diesmal ohne die Angst vor dem Gefängnis auch nur mit einer Silbe zu erwähnen. Man konnte ja nie wissen, wer noch alles ihre Post mitlas.
    „ Gut, dann werde ich eben kommen …“ schrieb Jean kurz entschlossen zurück.
    Sie freute sich riesig, obwohl es für sie verboten war, Kontakte zum „kapitalistischen Wirtschaftsgebiet“ zu haben. Sie hatte zu der Zeit gerade eine Ausbildung als Fotografin bei einer Zeitung begonnen.
    Verboten hin, verboten her. Jean war doch für sie ein Freund – und kein Wirtschaftsgebiet. Sie musste dieses Treffen auf jeden Fall riskieren. Vorsichtshalber bat sie ihre Freundin Sabine, alle Formalitäten zu erledigen, was auch in verhältnismäßig kurzer Zeit klappte.
    Anne hatte Urlaub genommen und war froh, dass ihr Vater ihr seinen

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