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Wolken über Ebou

Wolken über Ebou

Titel: Wolken über Ebou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Köcher steckte? Und dieser Bursche, der in seinen hohen Reitstiefeln einherstolzierte. Er wirkte noch zu jung, sich zu rasieren. Licht, so viele waren noch Jungen. Wie viele würden sterben? Für den Amyrlin-Sitz. Für die Gerechtigkeit, für das Recht, für die Welt, aber im Herzen für sie. Siuan hob die Hand, vollendete die Geste aber nicht. Selbst wenn sie ausreichend nahe gewesen wäre, hätte sie dem Amyrlin-Sitz dort, wo jedermann es sehen konnte, nicht auf die Schulter klopfen dürfen.
    Egwene richtete sich auf. »Lord Bryne«, sagte sie mit angespannter Stimme, »was wollt Ihr mir verdeutlichen?« Sie glaubte zu bemerken, daß er Myrelle einen Seitenblick zuwarf, bevor er antwortete. »Ihr solltet es besser selbst erkennen, Mutter.« Egwene dachte, ihr Kopf würde bersten. Wenn Siuans Hinweise überhaupt etwas bedeuteten, würde sie Myrelle die Haut über die Ohren ziehen. Wenn dem nicht so war, würde sie vielleicht Siuan die Haut abziehen. Und sie könnte, der Ausgewogenheit halber, auch Gareth Bryne mit einbeziehen.

KAPITEL 3
    Ein siegreicher Vormittag
    Die gewundenen Hügel und Bergketten, die das Lager umgaben, zeigten alle Anzeichen von Trockenheit und für diese Jahreszeit ungewöhnlicher Hitze -tatsächlich unerträglicher Hitze. Selbst der schwerfälligste Küchenjunge, der Töpfe schrubbte, bemerkte die Berührung der Welt durch den Dunklen König. Der eigentliche Wald lag westlich hinter ihnen, aber verkrümmte Eichen wuchsen auch auf den felsigen Hängen, sowie Tupelobäume und ungewohnt geformte Kiefern und Bäume, deren Namen Egwene nicht kannte, braun und gelb und mit kahlen Zweigen. Es war keine Winterkahlheit oder Winterbraun. Sie dürsteten nach Feuchtigkeit und Kühle. Sie würden absterben, wenn sich das Wetter nicht bald änderte. Hinter den letzten Soldaten verlief ein Fluß von Süden nach Westen, der Reisendrelle, zwanzig Fuß breit und auf beiden Seiten von festgetretenem, mit Sternen durchsetzten Schlamm begrenzt. Zu anderen Zeiten hätten in Strudeln umherwirbelnde Steine die Überquerung gefährlich gemacht, aber heute war das Wasser nur wenige Handbreit tief. Egwene spürte, daß ihre eigenen Sorgen an Bedeutung verloren. Sie sprach, trotz ihrer Kopfschmerzen, ein kleines Gebet für Nynaeve und Elayne. Ihre Suche war genauso wichtig wie all ihr eigenes Handeln, wenn nicht wichtiger. Die Welt würde überleben, wenn sie versagte, aber die beiden mußten Erfolg haben.
    Sie ritten in leichtem Galopp südwärts und zügelten ihre Pferde, wenn die Hänge zu steil wurden oder die Tiere durch Bäume und kärgliches Gestrüpp klettern mußten, aber sie hielten sich insgesamt soweit wie möglich ans Tiefland und kamen gut voran. Brynes Wallach, der trittsicher und kräftig war, schien es nichts auszumachen, wohin sich der Boden neigte oder ob er uneben war, und Daishar hielt leicht Schritt. Siuans molliges Tier hatte manchmal zu kämpfen, obwohl sich vielleicht nur die Angst seiner Reiterin auf es übertrug. Auch nicht die größtmögliche Übung hätte aus Siuan etwas anderes als eine schreckliche Reiterin gemacht, die fast die Arme um den Hals der Stute schlang, wenn es bergauf ging, und fast aus dem Sattel fiel, wenn es bergab ging, unbeholfen wie eine Ente auf dem Land und mit fast genauso erschreckten Augen wie ihr Pferd. Sogar Myrelle gewann ihren Humor ein Stück weit zurück, als sie Siuan beobachtete. Ihr weißfüßiger Mausgrauer suchte sich seinen Weg sehr genau, und Myrelle ritt mit einer Sicherheit, daß sogar Bryne schwerfällig wirkte.
    Bevor sie noch sehr weit gekommen waren, erschienen Reiter auf einem Hügelkamm im Westen, vielleicht einhundert Mann in Kolonne, auf deren Brustharnischen, Helmen und Speerspitzen die Sonne glitzerte. Ihnen voraus wehte eine weiße Fahne, die Egwene nicht erkennen konnte, aber sie wußte, daß sie die Rote Hand trug. Sie hatte nicht erwartet, sie so nahe am Lager der Aes Sedai zu sehen.
    »Drachenverschworene Tiere«, murrte Myrelle. Ihre behandschuhten Hände schlossen sich fester um die Zügel - vor Zorn, nicht vor Angst.
    »Die Bande der Roten Hand schickt Patrouillen aus«, erklärte Bryne in aller Ruhe und fügte dann mit einem Blick auf Egwene hinzu: »Lord Talmanes schien sich um Euch zu sorgen, Mutter, als ich zuletzt mit ihm sprach.« Er betonte dies nicht mehr als seine sonstigen Worte.
    »Ihr habt mit ihm gesprochen?« Myrelles Heiterkeit schwand vollkommen. Den Zorn, den sie in Egwenes Gegenwart im Zaum gehalten hatte, konnte

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