Wolken über Ebou
Meeres beunruhigt mich manchmal. Ich glaube, ich werde nur aufs Schiff sehen und auf nichts anderes.« Aviendha nickte - ihre Nächstschwester besaß ein gutes Einfühlungsvermögen -, und sie stiegen die Stufen hinauf.
An Deck lehnte Nynaeve gerade Birgittes Angebot zu helfen ab und stieß sich von der Reling hoch. Die beiden Ruderer sahen belustigt zu, wie sie sich mit dem Handrücken den Mund abwischte. Sie waren Burschen mit nacktem Oberkörper und Messingringen in beiden Ohren und hatten die hinter ihre Schärpen gesteckten gebogenen Dolche sicherlich schon häufig benutzt. Aber ihr Hauptaugenmerk galt der Bewegung ihrer Ruder, die sie an Deck vor und zurück führten, um das Boot neben einem Schiff stabil zu halten, das Aviendha durch seine Größe fast den Atem nahm und das über ihrem plötzlich sehr klein wirkenden Boot aufragte, seine drei großen Masten höher als die meisten Bäume, die sie hier in den Feuchtlanden gesehen hatte. Sie hatte es auserwählt, weil es das größte von Hunderten von Meervolk-Schiffen war, die in der Bucht ankerten. Auf einem solch riesigen Schiff mußte es gewiß möglich sein, all das Wasser rundum zu vergessen. Außer...
Elayne hatte ihre Schande nicht wirklich zugegeben, und wenn sie es getan hätte, durfte eine Nächstschwester ruhig von der tiefen Demütigung wissen, ohne daß es wichtig wäre, aber ... Amys sagte, sie sei zu stolz. Sie zwang sich, sich umzudrehen und vom Boot fortzuschauen.
Sie hatte noch niemals in ihrem Leben soviel Wasser erlebt, nicht einmal wenn jeder Tropfen Wasser, den sie bisher gesehen hatte, zusammengeschüttet würde, und es rollte graugrün und hier und da weiß schäumend heran. Sie wandte den Blick ruckartig ab, versuchte, es zu ignorieren. Selbst der Himmel schien hier weiter, riesig, mit einer von Osten heraufziehenden Sonne wie flüssiges Gold. Ein heftiger Wind blies, kühler als an Land und niemals einhaltend. Wolken von Vögeln schwirrten durch die Luft, grau und weiß und manchmal schwarz getupft, die schrille Schreie ausstießen. Ein Vogel, der bis auf den Kopf vollkommen schwarz war, glitt an der Wasseroberfläche entlang, wobei sein langer, gesenkter Schnabel das Wasser durchschnitt, und eine Reihe plumper brauner Vögel - Pelikane hatte Elayne sie genannt -falteten plötzlich nacheinander die Schwingen, tauchten spritzend ins Wasser ein und stießen dann wieder an die Oberfläche, wo sie dahintrieben, die unglaublich großen Schnäbel aufwärts gerichtet. Überall waren Schiffe, viele fast so groß wie dasjenige hinter ihr, die nicht alle den Atha'an Miere gehörten, und kleinere Schiffe mit nur einem oder zwei Masten, die unter dreieckigen Segeln fuhren. Auch kleinere Schiffe, wie das Boot, auf dem sie sich befanden, ohne Masten, mit einem hohen, spitzen Bug und einem niedrigen, flachen Bootshaus im Heck, zogen, von einem oder zwei oder auch drei Paar Rudern bewegt übers Wasser. Ein langes, schmales Boot, das wohl zwanzig Ruder pro Seite aufwies, wirkte wie ein dahingleitender Tausendfüßler. Und da war Land. Vielleicht sieben oder acht Meilen entfernt schimmerte Sonnenlicht auf den weiß getünchten Häusern der Stadt. Sieben oder acht Meilen Wasser.
Sie schluckte und drehte sich schneller wieder um, als sie sich vom Schiff abgewandt hatte. Sie glaubte, ihre Wangen. müßten grüner sein, als Nynaeves gewesen waren. Elayne beobachtete sie, versuchte, einen ruhigen Gesichtsausdruck beizubehalten, aber Feuchtländer zeigten ihre Empfindungen so deutlich, daß ihre Sorge doch sichtbar war. »Ich bin eine Närrin, Elayne.« Selbst bei ihr bereitete es Aviendha Unbehagen, nur den Vornamen zu benutzen. Wenn sie Erstschwestern wären, wenn sie Schwester-Frauen wären, wäre es leichter. »Eine weise Frau hört auf weisen Rat.«
»Ihr seid tapferer, als ich jemals sein werde«, erwiderte Elayne vollkommen ernsthaft. Sie leugnete ebenfalls, Mut zu haben. Vielleicht war das auch ein Feuchtländer-Brauch? Nein, Aviendha hatte schon Feuchtländer über ihre Tapferkeit sprechen hören. Diese Ebou Dari schien, zum Beispiel, keine drei Worte äußern zu können, ohne sich zu rühmen. Elayne atmete tief ein, um sich zu stählen. »Heute abend werden wir über Rand sprechen.«
Aviendha nickte, aber sie verstand nicht, wie Elayne auf dieses Thema kam. Wie konnten SchwesterFrauen mit einem Ehemann zurechtkommen, wenn sie nicht ausführlich über ihn sprachen? Das sagte ihr die ältere Frau und die Weisen Frauen ohnehin. Sie waren
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